Verein f.Landeskunde in NÖ

Erwachsenenbildung
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150 Jahre Verein für Landeskunde von Niederösterreich

Das Interesse an der Geschichte des eigenen Landes intensivierte sich unter dem Einfluss von Aufklärung und Romantik. Bedeutende Einzelleistungen, wie Weiskerns «Topografie von Niederösterreich» 1768 oder Schweickhardts »Darstellung des Erzherzogthums» Österreich unter der Enns (in 37 Bänden) konnten eine wissenschaftlich fundierte Landeskunde immer weniger ersetzen. 1833 wurde der oberösterreichische Musealverein gegründet, 1843 folgte der Historische Verein für Innerösterreich. In Niederösterreich war die wissenschaftliche Tätigkeit an den kaiserlichen Hofinstituten konzentriert, seit 1847 auch in der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Erst mit Rückenwind aus dem neuen, 1861 gewählten Landtag wurde 1864 der «Verein für Landeskunde von Niederösterreich» gegründet.
Schon 1865 und 1866 erschienen «Blätter» des Vereins, 1867 beschloss man die Publikation eines Jahrbuchs. Dem ersten Band folgte aber nur ein zweiter, dann erschienen wieder «Blätter», in «Neuer Folge» (bis 1901), 1902 bis 1927 als «Monatsblatt» fortgesetzt, seit 1928 unter dem Titel «Unsere Heimat» (bis heute). Das «Jahrbuch» erschien ab 1902 in «Neuer Folge», mit Unterbrechungen und nicht selten in umfänglichen Doppelbänden, wie das Jahrbuch NF 75/76 (2009/2010), NF 77/78 (2011/2012); der letzte Band, NF 79 (2013), war in Einfachband. Vielfach gingen die Aufsätze aus Vorträgen hervor.
Die von Anfang an geplante «Topografie von Niederösterreich» begann 1877 zu erscheinen. Man kam in den nächsten Jahrzehnten immerhin bis zum Anfangsbuchstaben «O», dann trat eine Pause ein. Von einem «Niederösterreichischen Urkundenbuch» erschienen zwei Bände über das Chorherrenstift St. Pölten. Erst ab 1951 gab der Verein gemeinsam mit der Kommission für Raumplanung der ÖAW den hervorragenden «Atlas von Niederösterreich» heraus, in zahlreichen Lieferungen. Monografische «Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich» ergänzten ab 1934 die Periodika. Die thematische Breite der «klassischen» Landeskunde (Kunstgeschichte, Musik, Naturwissenschaften) blieb dabei trotz einer gewissen Dominanz der historischen Arbeiten – zeitweilig stark auf die Zeit des Mittelalters konzentriert – erhalten. Die jüngsten Bände stehen mit ihren stadtgeschichtlichen Schwerpunkten in einer langen Tradition der Vereinsarbeit.2012 kam Band 35 heraus: Josef Moser(†) und Barbara Weber (Red. Martin Scheutz), «Waidhofen a. d. Ybbs und Steyr im Blick. Die ‹Annalen› (1590–1622) des Schulmeisters Wolfgang Lindner in deutscher Übersetzung», 2013 Band 36: Johannes Ramharter, «Profile einer landesfürstlichen Stadt. Die Stadt Tulln in der Frühen Neuzeit (1517–1679)». Eine für die Kenntnis des Landes wichtige Leistung war Heinrich Weigls «Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich» (sieben Bände, 1964/1965, mit einem Anhangsband). Diese «Reihe A» wurde später durch eine «Reihe B» ergänzt: Elisabeth Schuster ,«Die Etymologie der niederösterreichischen Ortsnamen» (drei Bände, 1989–1994).
Hinter der multidisziplinären landeskundlichen Ausrichtung wirkten aber auch ideologische Bezugssysteme: ein österreichisch-habsburgisches, daneben und danach aber auch ein deutsch-nationales, das sich ab 1918 verstärkte und sich 1938 zur begeisterten Begrüßung des «Führers» steigerte. Es wich ab 1945 einem nüchternen österreichisch-republikanischen. Zahlreiche Exkursionen dienten dem Kennenlernen des Landes und seiner Besonderheiten. Bis heute gehören fünf bis sechs solcher Veranstaltungen zu den am besten angenommenen Angeboten des Vereinsprogramms. Dass Geografen wie der bedeutende Pädagoge und Volksbildner Anton Becker in der Vereinsleitung durch Jahrzehnte ebenso zentral mitwirkten wie Historiker (Karl Lechner!), mag sich dabei positiv ausgewirkt haben.
Vor achtzig Jahren nahm die St. Pöltener Lieblingstante des Autors mit Mann (Bundesbahnoffizial) und Schwager (Bürgerschuldirektor) an vielen solchen Exkursionen des Vereins teil. Der Herr Direktor besaß alle Publikationen des Vereins. Zahlreiche Bleistift-Marginalien zeugen von genauer Lektüre. – Landeskundlich gebildete Hauptschul- bzw. NMS-Direktoren bleiben ein Ideal, aufs Innigste zu wünschen (bei Gymnasialdirektoren natürlich erst recht!). Der Verein für Landeskunde bietet seit seiner Gründung vor 150 Jahren dazu jede Hilfe. Seine wissenschaftliche und volksbildnerische Arbeit steht auf einer breiten Basis. Derzeit hat der Verein 820 Mitglieder sowie 210 Tauschpartner und Abonnenten. Möge der Verein noch lange im Dienste des Landes, der wissenschaftlichen Landeskunde und des Landesbewusstseins wirken!

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2014