Verein für Kunst und Kultur Eichgraben

Sonderpreis
Organisation kult.spartenübergr. Veranst.

„Wir wollen nie elitär sein“

Eichgraben hat bei Künstlern und Kunstinteressierten einen Namen weder durch den Wienerwald noch durch die Westbahn. Sondern durch den „Verein für Kunst und Kultur Eichgraben“, vertreten durch die Autorin und Organisatorin Elfriede Bruckmeier (Abb.). Es hat auch Flair, besonders durch den Jugendstilsaal (seit 1974 Galerie) in Frau Bruckmeiers Elternhaus und die von ihr sorgsam organisierten Veranstaltungen, die hier in der warmen Jahres zeit stattfinden. So wird heuer nach 150 Veranstaltungen in 18 Jahren ein Preis in der Sondersparte „Organisation kultureller spartenübergreifender Veranstaltungen“ an dieses Haus und seine „Seele“ verliehen. Namhafte Literaten, dem Haus verbundene Musiker, „Bildende“, Theaterleute und Performance-Künstler freuen sich über diese gerechtfertigte Würdigung, und auch Doderer würde sich freuen, wenn er noch könnte.
Hier haben immer künstlerische Befruchtungen stattgefunden, Neues durfte ausprobiert werden, Jungkünstler starteten von Eichgraben in eine Karriere, und Publikumsmagnete wie Adolf Holl, Günther Nenning oder Oswald Oberhuber hielten hier Vorträge mit Diskussionen.
Einige der Autoren, die in Eichgraben aktiv waren, wie Hans Weigel, György Sebestyen und Alfred Gesswein, gibt es nicht mehr. Das Serapionstheater, die Puppen der Gundi Dietz sowie Geduldig & Thimann traten von hier ihren Siegeszug an. Kammermusik, Jazz, Trickfilm, Kindermalaktionen und ein allgemein zugängiges Katalog-Archiv haben nicht nur die mittlerweile 150 Vereinsmitglieder zutiefst befriedigt. Einer Einladung nach Eichgraben kann man blind folgen, denn „spartenübergreifend“ heißt dort auch, dass es zu Garcia Lorca nicht irgendeine, sondern Flamenco-Musik live gibt und dass die Ausstellung an den Wänden garantiert dazu passt. Die Brotaufstriche und der Wein sind ebenso verlässlich und bodenständig. Journalisten erhalten Geheimtips in der Fundgrube für Neuentdeckungen, der Kulturkreis PODIUM feierte hier seinen 20. Geburtstag, Herbert Lederer und Lena Rothstein gehören zu den aktiven Gästen, die man kennt, und allmählich präsentiert der Kulturverein eine gelungene Mischung von neuen und altbewährten Talenten. Eichgraben ist langsam aber sicher „in“ geworden, die Kunstanbieter und Ausstellungsinteressenten bereits zahlreicher als die Vernissagen-Termine. Dabei wollte man hier nie „elitär“ sein, das merkt man schon an einem so bescheidenen Mitgliedsbeitrag von mittlerweile 300 Schilling.
Die Mitgliedschaft zum Preis eines guten Abendessens inkludiert noch dazu eine Radierung als Jahresgabe und vier bis fünf Ausstellungen zwischen Mai und Oktober, dazu vier bis sechs Abendveranstaltungen, das war dem Publikum lange suspekt. Was billig ist, kann doch nicht gut sein. Dass es nicht nur gut, sondern auch abwechslungsreich ist und war belegt zum Beispiel eine Broschüre „Zehn Jahre Galerie Eichgraben“, die mit Hilfe des Bundes, Landes und der Gemeinde entstanden ist. (Darin wird auch der geförderten Renovierung der Hausfassade im Jahre 1980 gedacht.) Für Abwechslung sorgten u.a. „Der Laabtaler Viergesang“ mit Stanzeln aus der Wildererszene, das ,,Sonett über ein treibendes Jahr“, das zu einem Buch und einer Schallplatte führte (Lyrik, Grafik, Musik, Projektion und Raumdesign) oder auch die Eigenproduktion von ,,Und vieles zwischen Geburt und Tod bleibt heimatlos“, ein Frauenleben, gespielt in Gedichten österreichischer Lyrikerinnen. Letzteres wurde auf vielen Wiener Kleinkunstbühnen über zwanzig Mal wiederholt. Kleine Anmerkung: Der heutige Kulturverein ist im ehemaligen Bahnhofsrestaurant ,,Zur Post“ in der Kirchgasse 15 etabliert.
Die erste Blütezeit des gediegenen Hauses hat schon um die Jahrhundertwende stattgefunden. Die zweite findet unbestritten heute statt, wozu dieser Preis ein kleiner Beitrag sein möge.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1992