Abbilder aus zerstörten Welten
Kunst hat die Aufgabe, Fragen zu stellen, ohne Antworten geben zu müssen.
Sie ist der Spiegel, den eine Gesellschaft so dringend braucht, um sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst zu erkennen. Das sind oft erheiternde, schmerzvolle und auch verstörende Momente und Ergebnisse. Kunst verdichtet Realitäten – gespielt, gesungen, geschrieben, gemalt, fotografiert.
Verena Prenner hat sich diesem Prozess mit Haut und Haaren ausgesetzt – ganz persönlich und ohne Filter. Mit der Sammlung von Fotoarbeiten, die sie unter dem Titel „Camping“ zum Sonderpreis 2021 „Künstlerische und kulturelle Auseinandersetzungen mit der Menschenwürde“ eingereicht hat, zeigt sie Courage und hält uns eben diesen Spiegel vor.
Während ihrer Aufenthalte in den Jahren 2013–2019 im palästinensischen Flüchtlingslager Dheisheh in der Westbank beschäftigt sie sich mit einem der brennendsten Themen unserer Zeit: Flucht und Vertreibung.
Menschen auf der Flucht gibt es schon immer – und schon immer wird mit ihrem Schicksal Politik gemacht. Überall auf der Welt. Sie sind der Spieleinsatz auf dem Spielbrett jener Frauen und Männer, die Macht haben. Flüchtlinge werden in Lagern weggesperrt oder ganze Gebiete zu journalistischen Blackboxes gemacht. Wir Bürgerinnen und Bürger sollen die hässlichen Bilder eben nicht sehen.
Verena Prenner geht an einen dieser Orte und schaut hin – dorthin, wo man uns als Gesellschaft lieber wegschauen lassen möchte. Sie erlebt die Angst und die Verzweiflung der Menschen, sie beobachtet die sozialen Strukturen. Sie gibt den Frauen und Männern, die in diesen Camps besonders betroffen sind, die Möglichkeit, ihre Hoffnungen, Träume und Zukunftsideen auf weiße Pappmasken zu skizzieren. Dabei entsteht eine Fotoreihe mit dem Namen „Feel Free“.
Aus der Masse werden Individuen – mit all ihren unverwechselbaren Eigenschaften. Sie werden gesehen, gehört und auf Bildern festgehalten. Ihre Einzigartigkeit und die damit verbundene Menschenwürde werden sichtbar gemacht.
Die Künstlerin sagt über ihre Arbeit: „Fotografie ist Reflexion und Erinnerung.“ Wie recht sie hat!