,,Personifiziertes Blaugelbes Kulturgewissen“
,,Sie müssen schon entschuldigen, aber wenn ein Lehrer am Reden ist, dann hört er nicht so schnell wieder auf“ – solche selbstironische Randbemerkungen baut Hofrat Prof. Viktor Wallner gerne in seine Ansprachen ein, und sie sind auch nicht ganz aus der Luft gegriffen. Denn wenn der Badener Bürgermeister spricht, dann hört man immer auch den Lehrer und vor allem den Erwachsenenbildner im besten Sinn des Wortes. Das heißt, man geht als Zuhörer ein bißchen gescheiter weg als man gekommen ist. Und wenn man das nicht gleich bemerkt, dann liegt es daran, daß es Prof. Wallner wie kaum ein zweiter versteht, Bildungsstoff in Anekdoten zu verpacken und höchst vergnüglich zu servieren. Das gilt im übrigen auch für den erfolgreichen Buchautor Viktor Wallner, und es galt besonders auch für den langjährigen Mittelschulprofessor (hier sei dem Verfasser eine persönliche Erinnerung gestattet: Vier Jahre lang habe ich den Geschichtsunterricht Wallners genossen-, und zwar wirklich genossen, denn er hat uns nicht nur viel beigebracht, sondern er hat es vor allem verstanden, echtes Interesse für das Vergangene zu wecken). Zur Erwachsenenbildung kam Wallner bereits sehr jung. Er war 34 Jahre alt, als er 1956 die Volkshochschule Baden gründete, die heute übrigens sehr engagiert von seiner Gattin Maria Wallner geleitet wird. Als sich ein Jahr später, 1957, zwei weltanschaulich unterschiedlich ausgerichtete Bildungseinrichtungen zum Verband NO Volkshochschulen zusammenschlossen, wurde Viktor Wallner bereits in den Vorstand gewählt, und später hat er auch auf Bundesebene Funktionen übernommen. Professor Viktor Wallner ist nicht ein gestandener Politiker, der sich mit der Erwachsenenbildung ein ,,Mascherl“ umgehängt hat-auch das soll ja vorkommen-, sondern er ist eigentlich erst über die Erwachsenenbildung in die Politik gekommen, zunächst 1960 als Badener Stadtrat für kulturelle Angelegenheiten. Seit 1965 fungiert er als Bürgermeister der Kurstadt, und selbstverständlich ist ihm auch hier die Ku1tur und die Bildung ein Herzensanliegen. Das hat er in den Jahren 1974 bis 1983 auch als Abgeordneter zum NO Landtag bewiesen. Landeshauptmann Siegfried Ludwig pflegte dem Kultursprecher der ÖVP-Fraktion in diesen Jahren gerne zu attestieren: ,,Wallner ist so etwas wie ein personifiziertes blau-gelbes Kulturgewissen.“ Viktor Wallner sieht die Erwachsenenbildung nicht durch die Parteibrille, aber er sieht sie natürlich auch nicht ,,unpolitisch“. Ganz im Gegenteil. In einem Artikel hat er ein mal geschrieben: „Von meinem verehrten Pädagogikprofessor Hofrat Dr. Richard Meister weiß ich, daß es eine Allgemeinbildung, eine Berufsausbildung und beide übersteuernd eine Weltanschauungsbildung gibt. Die letztere ist das Bestimmende, weil sie die ,Persönlichkeit‘ ausmacht, das ist die Rangordnung der Werte im einzelnen. Ohne Weltanschauung gibt es aber für mich nicht nur keine Bildung, sondern vor allem auch keine Politik.“ In diesem Sinn ordnet sich für Wallner die Erwachsenenbildung ein in den großen Rahmen einer ,,kulturellen Demokratie“. Für immer mehr Menschen sollten immer mehr Möglichkeiten einer Anteilnahme an Kultur und Bildung geschaffen werden. Das ist gerade in seinem Fall nicht Theorie, sondern er hat diese Gedanken auch in die Praxis umgesetzt, vor allem als Motor und Generalsekretär der 1976 gegründeten ,,Niederösterreich Gesellschaft für Kunst und Kultur“. Aus dem Prinzip der ,,kulturellen Demokratie“ leitet Viktor Wallner aber auch eine Verpflichtung für den einzelnen ab. Er empfindet Bildung als einen Teil der persönlichen Sozialverantwortung jedes einzelnen. Diese Einstellung hat ihn für uns, seine Schüler, nicht gerade zu einem ,,bequemen“ Lehrer gemacht, aber in Verbindung mit einem enormen Wissen, pädagogischem Fingerspitzengefühl und einer glänzenden Rhetorik ist sie sicher eines der Geheimnisse seiner Erfolge als Mittelschullehrer und als Erwachsenenbildner. Mit dem Franz-Stangler-Gedächtnispreis 1988 wird somit ein mehr als dreißigjähriges begeistertes Engagement in der Erwachsenenbildung und für die Erwachsenenbildung gewürdigt. Gerade für Viktor Wallner verbinden sich mit dieser Auszeichnung auch sehr persönliche und menschliche Erinnerungen an den niedersterreichischen Bildungspionier: Er war der Nachfolger Franz Stanglers als Kultursprecher der ÖVP im NÖ Landtag, und er hat mit ihm ein Vierteljahrhundert lang im Verband NÖ Volkshochschulen engstens zusammengearbeitet.