Ein Hephaistos am Lande Förderungspreis für Walfried Huber Walfried Huber betreibt eine Schmiede in Pirawarth im Weinviertel. Er ist integriert in das Alltagsleben einer ländlichen Umwelt, er weiß Bescheid um die Sorgen und Probleme der vom Ertrag der Felder lebenden Menschen. Huber ist selbst Teil eines sozialen Systems, in dem der praxisorientierten Komponente seiner Arbeit großes Gewicht zukommt. In dieser Funktion ist er „homo faber“, der handelnde, technisch-praktisch orientierte Mensch, für den bereits die Antike den Schmied als Symbolfigur gewählt hatte. Huber hat sich seinen Lebensbereich bewußt gewählt. Er suchte die Arbeit mit den Bauern und die seinem. Können adäquate Funktion im Dorfe. Aus dem Miteinander einer ländlichen Gemeinschaft, aus den darin verborgenen menschlichen Qualitäten erhofft er, die für sein künstlerisches Werk nötigen Impulse zu gewinnen. Walfried Hubers Werdegang als Schmied und Bildhauer verlief eher ungewöhnlich und ist doch von zielgerichtetem Wollen bestimmt. 1942 als Sohn einer kroatischen Mutter und eines oberösterreichischen Kleinbauern geboren, wuchs er, in jeder Hinsicht unterprivilegiert, inmitten der Baracken eines Salzburger Flüchtlingslagers auf. In den Salzburger Bergen hat sich Huber nie heimisch gefühlt. Daß er einen Ort in der Weite des Marchfeldes als Heimat wählte, deutet er als mütterliches Erbe, als Sehnsucht nach einer offenen, von östlichem Charakter dominierten Landschaft. Huber absolvierte eine Fachschule für Maschinenbau und erlernte das Handwerk eines Schmiedes und Schlossers. Eisen bedeutete ihm jedoch bald mehr als ein sinnvoll nutzbares Metall. Das praktische Wissen um die Formbarkeit glühenden Eisens versuchte er in den Dienst der Kunst zu stellen. Nach der Absolvierung der Lehrjahre entschloß sich Huber zum Studium. Er besuchte das Aufbaugymnasium in Horn und begann 1970 das Studium der Bildhauerei an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien. Hans Knesl und nach dessen Tod Wander Bertoni wurden seine Lehrer. 1975 erwarb Huber sein Diplom. Bereits 1971 war er nach Pirawarth, dem Geburtsort seines Lehrers Hans Knesl, übersiedelt, wo es ihm gelang, als Schmied Fuß zu fassen. Es folgten Jahre des Aufbaues, verbunden mit dem üblichen Kampf mit Behörden und Institutionen, denen die Verbindung von Gewerbe und Kunst ungewöhnlich erschien. Als akademischer Bildhauer hatte Huber den Umgang mit Stein und anderem Material wohl erlernt, und gerade seine Lehrer hatten ihn zur Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur angeregt. In· der Pirawarther Schmiede mußte jedoch eine Kunst entstehen, die sich aus einer Formenwelt entwickelt, der sich Huber tagtäglich konfrontiert sah. Maschinenteile inspirierten ihn zu aggressiven Formationen. Auf Holzsockeln montiert, wirken die Strukturen des geschmiedeten Eisens wie Idole eines chthonischen Kultes, wie rätselhafte Maschinen, die Hephaistos als Werkzeuge erfunden hat. Natürlich schmiedet Huber Gebilde der Abwehr und Warnung. Er ist kein Utopist, der an ein grenzenloses Fortschrittsdenken glaubt. Die Gefahren, die aus einer sinnentleerten Anwendung der Technik erwachsen können, sind ihm bewußt. Die von Bedrohung, Schärfe und Aggression zeugende Komponente seiner Gebilde wurzelt in dieser allgemeinen Existenzangst vor jenen Geistern, deren Kontrolle uns zu entgleiten droht. Walfried Huber strebt eine sehr persönliche Identität von Leben und Werk an. Nicht nur, daß ihm der tägliche Umgang mit ländlichem Gerät und Werkzeug zu seinen Schöpfungen inspiriert, auch als Künstler leugnet er nie den direkten Bezug zum Handwerk. Ganz besonders liegt ihm am Tradieren manueller Fertigkeiten der Schmiedekunst, an jenen althergebrachten Verfahren, die in unserer Zeit immer stärker durch die industrielle Massenproduktion verdrängt werden. Huber scheut auch nicht die kunsthandwerkliche Anwendung seiner Kunst, wobei er sich Auftraggebern auch verweigert, soferne ihm deren Vorstellungen als unvereinbar mit seinem künstlerischen Empfinden erscheint. Völlig autonom handelt Huber als Künstler. Seine Plastiken sind ästhetische Figurationen, Totem und Mahnmal zugleich. Besonders deutlich wird dies in den wenigen monumentalen Arbeiten Hubers aus Stein. 1978 entstand der bei Schrick im Weinviertel aufgestellte ,,Völkergrenzstein“, eine monumentale Stele aus Marmor, die in eindringlicher Form auf die mutwillige politische Spaltung von Völkern hinweist. Seine Marchfelder Sonnensäule (1980) in Zistersdorf will Huber als „Lob auf die niederösterreichische Landschaft“ verstanden wissen. Walfried Huber stellt einen heute selten gewordenen Typus des Künstlers dar. Sein Handwerk ist ihm materielle und ideelle Basis einer freien Kunst, in der sich Ästhetik und Bedrohliches, Warnung und Kritik zu markanten Signalen verdichtet.
Walfried Huber
Bildende Kunst
Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1982