Walter Deutsch

Volkskultur und Kulturinitiativen
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Volksmusikforscher aus Leidenschaft

Walter Deutsch übernahm 1967 die Leitung des Referats für Volksmusik im neu errichteten Landesstudio für Niederösterreich des Österreichischen Rundfunks. Wenige Jahre zuvor gründete er das Institut für Volksmusikforschung an der neuen Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Voraussetzung dafür war seine Mitarbeit im Archiv des Niederösterreichischen Volksliedwerks, dessen reichen Liedbestand der Handschriftensammlung er mit der von ihm weiterentwickelten Methode des «Melodienregisters» erschloss.
Die Überlieferungsträger, die singenden, musizierenden und tanzenden Menschen stellen für ihn die Primärquelle volksmusikalischen Wissens dar. Diese zu besuchen und zu befragen, ihre musikalischen Äußerungen aufzunehmen und zu dokumentieren, diente sowohl der wissenschaftlichen Forschung, der Lehre als auch dem Inhalt seiner Rundfunksendungen. In seiner Reihe «Fein sein, beinander bleiben» stellte er fast ausschließlich Überlieferungsträger vor. Die Sendungen «Sing mit» und «Spiel mit» erfreuten sich größter Beliebtheit, ebenso die unzähligen Radiobeiträge, in denen Walter Deutsch – übrigens bis heute – Hörerinnen und Hörer unterhaltend belehrt.
Zu seinen insgesamt 18 Forschungsseminaren lud er neben Wissenschaftern auch Gewährspersonen ein, eines davon fand 1972 in St. Pölten mit dem Thema «Die musikalische Volkskultur in Niederösterreich» statt. Von Walter Deutsch gestaltete Ausstellungen «Die Volksmusik in Niederösterreich. Ihre traditionellen Formen im 20. Jahrhundert» im Niederösterreichischen Landesmuseum 1984 sowie «Volkskultur im südlichen Niederösterreich. Volksmusik – Trachten – Volkstanz» in Gloggnitz 1988 waren ähnlich seinen Sendungen Publikumsmagnete und Nachweis über die Präsenz von Volksmusik auch im 20. Jahrhundert in Niederösterreich.
Seine Unermüdlichkeit beim Umsetzen neuer Ideen ließ ihn erfolgreich als Impulsgeber, Vortragender, Moderator oder Organisator bei zahlreichen Veranstaltungen auftreten; erwähnt seien der Grafenegger Advent oder die Sänger- und Musikantentreffen, die er mit dem Kulturpreisträger des Vorjahres, Alexander Veigl, für Niederösterreich 1968 ins Leben rief.
Seine umfangreiche Publikationsliste enthält neben wissenschaftlichen Werken, wie die Monographie «Volksmusik aus Scheibbs», zahlreiche Unterlagen zum praktischen Gebrauch. Für Niederösterreich hervorzuheben wären u. a. die Sing- und Spielhefte, Weihnachtsliederhefte und die Sammelmappe mit Sing- und Spielblättern «Lieder und Tänze aus Niederösterreich». Die Liederbücher «Lieder aus dem Waldviertel» 1986, «Lieder aus dem Weinviertel» 1990 und 1996, «Lieder aus dem Mostviertel» 1993 und 1996 sowie «Lieder aus dem Industrieviertel» 1998 sind wichtige Dokumente zum traditionellen Liedgut dieser Regionen. Ein bedeutendes Werk zum bläserischen Musizieren ist das «Große Niederösterreichische Blasmusikbuch» des Jahrs 1982.
Einen Höhepunkt seiner Schaffensfreude stellt das große Monumentalwerk, die Reihe «Corpus Musicä Popularis Austriacä. Die Gesamtausgabe der Volksmusik in Österreich in repräsentativer Auswahl» dar – kurz COMPA genannt –, die 1993 mit dem Band über St. Pölten und Umgebung eingeleitet wurde. Der Gründungsidee des Volksliedunternehmens folgend wächst hier eine einzigartige Sammlung und Dokumentation zu Volkslied, Volksmusik und Volkstanz, begleitet mit ausführlichen wissenschaftlichen Analysen und akribischen Quellenangaben. Dass Walter Deutsch dieser Würdigungspreis Volkskultur und Kulturinitiativen gerade in dem Jahr überreicht wird, in dem auch der vierte Niederösterreichische Band von insgesamt 16 COMPA-Bänden erscheint, darf wohl als Bestätigung und Anerkennung für sein umfangreiches, vielfältiges und umfassendes Lebenswerk verstanden werden, gewährleistet es doch auch zum Teil die Weiterführung seiner großen Forschungsthemen.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2004