Jazzdrummer voller Leidenschaft
In der österreichischen Jazzszene ist Walter Grassmann eine feste Größe. Als vielseitiger Schlagzeuger machte er sich schon früh einen Namen und war in jungen Jahren bereits als Orchestermusiker am Theater an der Wien aktiv. Diese Erfahrung führte zu weiteren Engagements und wohl auch zu seiner Lehrtätigkeit am Konservatorium der Stadt Wien, heute Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK). Geboren in Plankenstein und seit den 1980er Jahren in Scheibbs beheimatet, wählte Grassmann die Stadt mit Frau Michäla und Tochter Lisa zum Mittelpunkt seines Lebens. Gemeinsam mit dem Trompeter Manfred Weinberger gründete er 1985 das Scheibbser Jazzseminar.
Bevor Walter Grassmann im Alter von 14 Jahren zum Schlagzeug fand, lernte er mehrere Jahre Akkordeon und Trompete an der Musikschule. Schon früh reifte in ihm der Wunsch, professioneller Musiker zu werden – gegen den Willen seiner Eltern. Sein Motto: „I wü net reich werden, I wü musizieren!“ Bis zum Studium bildete er sich größtenteils autodidaktisch weiter und sammelte mit der Tanzband „Raindrops“, in der er gemeinsam mit seinen Brüdern 18 Jahre lang spielte, erste wichtige Erfahrungen als Schlagzeuger. Ein prägendes Erlebnis waren zwei Konzerte in Waidhofen/Ybbs mit einer Band um Art Farmer, Fritz Pauer, Jimmy Woode und Erich Bachträgl – letzterer wurde später sein Lehrer. Trotz Widerständen bestand Grassmann die Aufnahmeprüfungen an der Musikuniversität Wien für klassisches Schlagwerk und am Konservatorium bei Erich Bachträgl. Nach kurzer Zeit widmete er sich ganz dem Jazz.
Parallel sammelte er bereits Bühnenerfahrung in unterschiedlichsten Bands und Stilrichtungen. Seine Leidenschaft galt dem Spiel in großen Ensembles und besonders in Big Bands. So erhielt er eine fixe Stelle am Theater an der Wien. Es folgten TV-Shows (Peter-Alexander-Show, Harald Juhnke) und Engagements bei führenden Big Bands wie der Vienna Big Band Machine oder der Richard Oesterreicher Big Band.
In seiner fast 50-jährigen Karriere spielte Grassmann mit Musikgrößen wie Joe Zawinul, Hans Salomon, James Morrison, Bobby Shew und Lew Soloff. Kurz nach seinem Studium übernahm Grassmann mit erst 26 Jahren eine Stelle für Schlagwerk am Konservatorium der Stadt Wien (heute MUK). Er bildete Generationen von Schlagzeugerinnen und Schlagzeugern aus und machte sich als herausragender Pädagoge weit über die österreichische Grenze einen Namen.
Studierende betreute er mit großer Leidenschaft, unermüdlichem Engagement und Expertise, bis er 2024 nach 39 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand ging. Als Buchautor verfasste er zwei renommierte Fachschulen für Jazz-Schlagzeug, die in der Fachwelt höchste Anerkennung genießen. Über viele Jahre hinweg war Walter Grassmann als Schlagzeuglehrer bei der NÖ Jazzakademie Zeillern tätig. Als sich 1985 die Möglichkeit bot, in Scheibbs einen eigenen Workshop zu organisieren, zögerte er nicht, diese Aufgabe zu übernehmen. Er brachte zahlreiche nationale und internationale Stars ins Mostviertel und bot so dem Jazznachwuchs eine wertvolle Plattform zur Vertiefung von Wissen und Können. Der Workshop, der bis 2010 – mit wenigen Unterbrechungen – stattfand, beeinflusste unzählige Musikerinnen und Musiker und bereicherte die lokale Jazzszene nachhaltig.
Walter Grassmann prägte als Musiker, Pädagoge und Workshop-Leiter die niederösterreichische und österreichische Musikwelt maßgeblich. Mit seinem meisterhaften Schlagzeugspiel setzte er Akzente in unzähligen Bands und Musikproduktionen und gab sein Können auf einzigartige Weise an die nächste Generation weiter. Darüber hinaus wird er in der Musikerszene für seine bescheidene, verlässliche und humorvolle Art geschätzt. Walter Grassmann ist der beste Beweis dafür, dass es zum guten Ton auch den groovenden Rhythmus braucht.
Bernhard Wiesinger