Walter Mock

Sonderpreis
Ausübende Musik

Dem Theater verschrieben

Mit neun Jahren stand er zum ersten Mal auf der Bühne, auf der schon seine Eltern, die in Schwechat einen Gemischtwarenhandel betrieben, Operetten spielten. Auch seine Schwester, seine Frau und ein Teil seiner Kinder würden einmal Amateur-Theater spielen, er aber konnte nicht Schauspieler werden, wie er wollte, weil sein Vater ihm eine kaufmännische Ausbildung vorschrieb. Zwar hätte er im Reinhardtseminar einen Platz bekommen, entschied sich aber dann selbst für Ehe und Beruf (Bundesforstverwaltung). Wie sein Kollege aus der Nestroy-Greißlerei machte er sich jedoch den „Jux“, ansonsten seinem inneren Drang nach der Schauspielerei zu folgen, wo sich Gelegenheit dazu ergab.Zuerst war es die Katholische Jugend, die in Schwechat unter Pater Dominik zur Erstkommunion oder zum Elternabend kleine Hans-Sachs-Stücke spielte und dann im Rahmen der Kirche großes Welttheater und Mysterium von Calderon. Nach dem Krieg fing man dann neu an, mit einem von Walter Mock bearbeiteten Stück über die Entstehung von „Stille Nacht“ und einem kurzen Nestroy mit vielen Rollen: „Die schlimmen Buben in der Schule“. Aber die erste wichtige Aufführung und der Durchbruch war der „Jedermann“ von 1949, der 25mal in verschiedenen Jahren gegeben werden mußte. Erich Schenk vom ORF leistete dabei bis zu Calderons ,,Das Leben ist ein Traum“ zur 20-Jahr-Feier der Schwechater katholischen Laienfestspiele von 59 erste Hilfe. Die Spielgruppe war nun auf Vereinsbasis neu gegründet, hieß nach ihrer Mutterkirche ,,Amateurtheater St. Jakob“ und wurde von Walter Mock geleitet. 1960 gründete er auch das Kulturwerk Stadt Schwechat als Dachverband aller dort tätigen Vereine, und dessen Vorstand ist er noch heute. Man agierte in den zwei Gasthäusern Merkl und Marik, die es gar nicht mehr gibt, bis man in die Körner-Halle übersiedeln konnte, die in diesem Jahr fertig wurde und die auch die Möglichkeit zu den so beliebten nachträglichen Diskussionen der Stücke bot. Die Gruppe hatte nun 20 bis 30 stehende Mitglieder, von denen aber nur ein Teil auftrat; heute sind es etwa 70, davon 20 bis 30 aktive Schauspieler. Die Spielpläne wurden zuerst von allen gemeinsam, dann nur mehr von einem Gremium aus Leiter, Bühnen-, Masken- und Kostümbildner, Technik- und Propagandachef bestimmt, die die Realitäten im Auge behielten. „Charleys Tante“, „Pünktchen und Anton“, „Die unentschuldigte Stunde“, Goetz‘ ,,Lügner und die Nonne“, „Bunbury“ oder Priestleys „Inspektor“ wurden ebenso gespielt wie „Andorra“, „Der zerbrochene Krug“, Millers „Alle meine Söhne“, Sartres „Geschlossene Türen“, Grillparzers ,,Wehe dem, der lügt“ und Jura Soyfers von allen vernachlässigtes „Vineta“. Zur 50-Jahr-Feier der Stadterhebung 1972 wurde dann die Rothmühle-Restauration fertig, dazu wieder der „Jedermann“ aufgeführt, und diesmal von Bruno Dallansky und dem ehemaligen Leiter der Bundestheaterverwaltung Dr. Heindl gesehen. Von ihnen und dem Schriftsteller György Sebestyen kam der Vorschlag, doch auch Raimund oder Nestroy im Hof der Rothmühle aufzuführen, nach denen das ausländische Sommerpublikum fragt, und man begann mit ,,Frühere Verhältnisse“ und Zeitvertreib“, zwei späten Nestroys, als „Probegalopp“. Zunächst hatte man vor, sich mit den Nebenrollen zu begnügen und die Hauptakteure von anderswo heranzuholen, doch Prof. Nordegg, der technischen Beistand leistete, und der empfohlene Reinhardt-Absolvent Peter Gruber, der bis heute hier Regie führt, rieten schließlich ab, nur Steigbügelhalter für andere zu sein. Damals begann man, sich endgültig auf die eigenen Resourcen und auf Nestroy mit seinen 83 Stücken festzulegen (So alt können wir gar nicht werden, die alle zu spielen!) Warum sollte man weiter ausländische Autoren importieren, statt sich auf den österreichischen Shakespeare zu konzentrieren? Damit wurde eine Nestroy-Renaissance eingeleitet, die noch heute und weit über die Landesgrenzen hinaus wirkt (von München aus fragt man nach Unterlagen für eine originalgerechte Lumpazivagabundus-Inszenierung!). Auch das eigene Publikum wurde über die langen Jahre, die besonders anfangs sehr schwer waren, mit,,erzogen“: Als das Volkstheater das erste Mal in Schwechat gastierte, waren mehr Leute auf der Bühne als im Saal – heute sind seine Vorstellungen wie die eigenen ausverkauft! 1971 richtete die Gruppe einen alten Gasthausraum, den ihm die Brauerei Schwechat zur Verfügung gestellt hatte, als Probe- und Studiobühne für Modernes ein. Als er baufällig wurde, behalf man sich eine Weile, da der Ersatz (ein Geschäftslokal, ein entfernter zugiger Stadel) nicht befriedigten, bis zuletzt eine abgelegte Baubaracke angeboten wurde, die dann als Gemeinschaftsprojekt aufgestellt, eingerichtet und heuer zu Ostern mit der „Glasmenagerie“ sehr erfolgreich eröffnet werden konnte. In ihr soll ein niederösterreichisches Zentrum für Amateurtheater entstehen, das auch anderen ein Zuhause bietet: Zuerst einer belgischen Truppe, dann dem Team 65, Weinbergers Werkraumtheater, oder dem Grazer Theater im Keller, und im Oktober wird hier das Niederösterreichische Jugendtheatertreffen abgehalten. Im Jahre 1973 stieß ein junger Hauptschul- und Polytechnikumslehrer zu der Gruppe, sah den ersten Nestroy, war begeistert und bald selbst integrierter Mitspieler (etwa als Schnitzlers Anatol). Als der dynamische Spielgruppenleiter nach einem Schlaganfall sich 1977 blutenden Herzens auf Regie und kleinere Rollen zurückziehen mußte, konnte er viele seiner Pflichten an diesen Franz Steiner delegieren, der heute die Gruppe führt. Seit 1973 wurden bei den Nestroy-Spielen im Schloßhof der Rothmühle zehn Nestroy-lnszenierungen gezeigt, darunter auch unbekanntere wie „Eulenspiegel“, ,,Weder Lorbeerbaum noch Bettelstab“, „Häuptling Abendwind“ und „Der Unbedeutende“ (die Revolution vorwegnehmend!) Seit 1974 begleiten jährlich korrespondierende Ausstellungen, etwa über Mode und Kostüm im Biedermeier, Nestroys Briefe, das Revolutionsjahr oder das Bühnenbild Nestroys die Aufführungen. 1975 wurde zusammen mit dem Theaterwissenschaftlichen Institut und der Nestroy-Gesellschaft die Internationalen Nestroy-Gespräche mit Experten aus aller Welt gestartet. Die bisherigen Themen umfaßten „Nestroy heute“, „Nestroy der Europäer“, „Nestroy und das Biedermeier“, die ,,Theorie seiner Inszenierung“ und sein Verhältnis zu Politik, Philosophie und den Frauen. Im nächsten Jahr werden sich die Kapazitäten der Erforschung seiner Parodien, danach seiner Kritik widmen. Die bisherigen 280 Aufführungen der Spielgruppe wurden von etwa 80.000 Besuchern gesehen und umfaßten auch Gastspiele innerhalb Österreichs, der BRD, DDR, Belgiens, der Schweiz und der CSSR. 1975 erhielt die Gruppe die Goldene Max-Mell-Medaille, die höchste Auszeichnung für Amateurtheater. Im September gastierte sie in Gladbeck und Oudenarde, um danach die „Glasmenagerie“ wiederaufzunehmen und gemeinschaftlich das nächstjährige Nestroy-Stück zu beschlieBen und in Angriff zu nehmen. Bleibt nur noch, ihr und dem mitreißenden Walter Mock, der sie so lange und so gut durch alle Schwierigkeiten, Hindernisse und Schicksalsschläge steuerte, Hals- und Beinbruch und weitere Erfolge zu wünschen.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1982