Walter Zschokke

Architektur
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Architekt, Vermittler, Kritiker

Dass Architektur aus Niederösterreich einen über die Grenzen der Region hinausgehenden Bekanntheitsgrad hat und dass Baukultur in Niederösterreich überhaupt ein Thema ist, muss u. a. Walter Zschokke gedankt werden. Erst als das 20. Jahrhundert seinem Ende zuging, erschien die erste umfassende Darstellung des zeitgenössischen Architekturschaffens in Niederösterreich. Walter Zschokke war jener Architekturpublizist, der sich als Erster darüberwagte, diesen für das baukulturelle Bewusstsein einer Region wichtigen Überblick zu geben. In Kürze wird der Folgeband über das relevante Architekturschaffen ab 1997 erscheinen.
Als Juror bei zahlreichen Wettbewerben hat er – nicht nur in Niederösterreich – dazu beigetragen, die Spreu vom Weizen zu trennen. Von 2003–2006 war er Mitglied des Kremser Gestaltungsbeirats, eine Funktion, die er jetzt in Steyr ausübt. Walter Zschokke engagierte sich in etlichen Architekturinitiativen, ganz besonders beim niederösterreichischen Architekturnetzwerk «ORTE», dessen Vorstand er angehört und dessen inhaltliche Ausrichtung er als Vorsitzender von 1997–1999 maßgeblich beeinflusste.
Als Kurator und Gestalter von so wichtigen Ausstellungen wie «Holzzeit», «Neue Häuser» mit Margherita Spiluttini, «Architekturszene Österreich» mit Otto Kapfinger oder «Nachkriegsmoderne Schweiz» leistete er unentbehrliche Aufklärungs- und Informationsarbeit. Buchpublikationen über schweizer und österreichische Architektenpersönlichkeiten runden seine publizistische Tätigkeit ab. Nie hörte Walter Zschokke neben dieser intensiven Arbeit als Vermittler und Kritiker auf, sich als Architekt zu fühlen und als solcher, wenn auch viel zu wenig, tätig zu sein.
Walter Zschokke studierte Architektur und Bauingenieurwesen an der ETH Zürich. Das Interesse für Gestaltungsfragen bei Ingenieurbauwerken wurzelt aus dieser Zeit; seine Dissertation über die Sustenstraße stieß damals auf Unverständnis in der Kollegenschaft. Die Integration der ingenieurwissenschaftlichen Fächer in die Architektur ist ihm ebenso ein Anliegen, wie ihm die Architekturgeschichte eine Leidenschaft ist. Diese Sattelfestigkeit in der Historie bewahrt ihn vor dem Befall mit Viren kurzlebiger Moden. Walter Zschokke lässt sich nicht von Talmi blenden und vermag Qualität, die Generationen überdauert, zu identifizieren, ehe sie vom Verschwinden bedroht ist. Er glaubt nicht an die Bilderflut der Hochglanzmagazine, betrachtet sie als Schaden für die Architektur, weil nicht mehr in die Tiefe eingedrungen wird. Sein Medium der Architekturvermittlung ist die wohlgesetzte Sprache, die ihm nicht nur in seiner Tätigkeit als Architekturkritiker das wichtigste Werkzeug ist.
Walter Zschokke ist keiner, der fehlende Qualität herbeischreibt, dafür einer, der auch verborgene Werte ans Licht bringt. Das Spektakuläre ist seine Sache nicht und gegen Starkult ist er immun. In seinen Kritiken formuliert er stets mit Augenmaß, ist nie verletzend, aber thematisiert dennoch oft wunde Stellen im Planungsbetrieb ohne Rücksicht auf Szenemeinungen. Kurzsichtige Lobeshymen auf modische Architektur mit Ablaufdatum sind ihm ebenso zuwider wie Eitelkeit und mangelndes Verantwortungsbewusstsein der Planer. In der Tageszeitung «Die Presse», für die er seit 1988 Architekturkritiken verfasst, lieferte er eine präzise Beschreibung der Verantwortung des Architekten, der er sich offensichtlich auch selbst verpflichtet fühlt: «In der alltäglichen Berufspraxis gilt es hingegen, sich die Fähigkeit und das Engagement für das Große wie für das Kleine zu bewahren, die Frage der Angemessenheit immer wieder aufs Neue zu stellen und sich bewusst zu bleiben, dass ein Zyniker nicht zugleich ein guter Architekt sein kann.»

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2006