Wilhelm Grundmann GesmbH.

Sonderpreis
Künstlerisches Design

Design als gelungene Synthese von Funktion und Form

Spätestens seit den legendären Braun-Geräten der Nachkriegszeit in Deutschland, seit der Gründung der Triennale in Mailand und der Revolution der Innenarchitektur und des Möbelbaus durch Architekten aus Skandinavien, ist es ganz allgemein zu einem bewussteren Umgang mit den Gegenständen des Alltags gekommen. Wobei es nicht um eine vordergründige Ästhetik geht, sondern darum, dass Funktion, Material und Form als untrennbare, sich gegenseitig bedingende Einheit erkannt werden, um ein unverwechselbares Produkt zu entwickeln.
War dies in früheren Jahrhunderten selbstverständlich, so war es ausgerechnet die industrielle Revolution, die in ihrer Begeisterung für das unbeschränkt Machbare die Einheit von Funktion und Form zunächst vernachlässigte und der Funktion die wichtigere Rolle zuteilte. Aber bereits der Jugendstil, in seinem Bestreben eine Art Gesamtkunstwerk zu schaffen, verstand es wieder, alle Lebensbereiche künstlerisch zu gestalten. In Österreich gibt es lange, bevor der Begriff „Design“ verwendet wird, eine lange Tradition handwerklich und künstlerisch in höchster Qualität hergestellter Alltagsgegenstände gerade Türschlösser und Beschläge gehören da dazu, man sehe sich nur einmal die Türen alter Gebäude an!
In Niederösterreich haben sich zahlreiche Firmen angesiedelt, die, aus der handwerklichen Tradition kommend, sich der Herstellung von industriellen Gegenständen widmen. Vom Waldviertel bis ins Industrieviertel werden Möbel hergestellt, Kinderspielzeug, Glas- und Holzwaren, in der Voralpengegend haben sich auch viele Kleineisenbetriebe angesiedelt, die Metallwaren aller Art und für vielerlei Anwendungsgebiete produzieren, so daß sich neben einer eher bäuerlich geprägten Gesellschaft eine Arbeiterschaft entwickeln konnte und ausgezeichnet geschulte Fachkräfte zur Verfügung stehen. Manche dieser Industrien genießen hohes Ansehen, wie die Firma „WG“, die Rohrbacher Schlosserwarenfabrik Wilh. Grundmann im Gölsental, nahe St. Pölten.
Carl Julius Grundmann, einer jener ,,legendären und hemdsärmeligen Gründergestalten des 19. Jahrhunderts, die mit ihrem Standbein noch stabil auf dem Boden des Handwerks standen, mit ihrem Spielbein aber erste Schritte in die industrielle Massenfertigung riskierten“ (Wolfgang Kos), hatte 1870 die „Carl Grundmann Schloßfabrik“ in Wien Hernals gegründet, mit der er später nach Herzogenburg übersiedelte. Sein Sohn Wilhelm machte sich 1894 selbständig und richtete in Rohrbach im Gölsental eine eigene Spezialfabrik für Schlösserwaren und Baubeschläge ein, die bis heute als Familienbetrieb geführt wird, wobei die Geschäftsführung in den Händen von Mag. Lilly Gaschler (und Direktor Ing. Johann Haidl) liegt, während die Schwester, Mag. Alexandra Eichenauer-Knoll, für Werbung und Designmanagement zuständig ist. Die Kontinuität der Besitzer trifft auch für die Arbeiterschaft zu, denn die meisten Mitarbeiter sind bereits in der 3. oder gar 4. Generation im Betrieb.
Schon in den 50er bis in die späten 70er Jahre dieses Jahrhunderts arbeitete die Firma mit Designern zusammen, mit dem Österreicher Ernst Oskwarek beispielsweise, aber auch mit dem international bekannten Schweden Sigvard Bernadotte. Seit den 90er Jahren hat sich die Zusammenarbeit mit Designern und Künstlern noch vertieft und ausgeweitet, dabei holte die Firma aber nicht bekannte Italiener oder andere Stars der internationalen Szene, sondern man wusste in Österreich interessante Kräfte zu finden. WG verließ sich darauf, dass die Produkte sich nicht über den Namen des Entwerfers, sondern durch die Qualität durchsetzen würden, und diese Strategie ging auch voll auf. Mit dem Türgriff „Auböck“ erinnerte die Firma an einen der Pioniere des österreichischen Designs, an Carl Auböck, der von 1900-1957 lebte, am Bauhaus studierte und neben seinem Kunsthandwerk auch ein beachtliches malerisches Werk schuf. Neben den Klassikern der Produktion, wie dem Modell „Elegant“ (das seit den 30er Jahren produziert wird), dem in drei Materialien, Aluminium, Messing und Edelstahl hergestellten Objektprogramm „GEOS“, für dessen Spezialbeschlag für sensorisch-motorisch behinderte Menschen WG I 986 den Staatspreis erhielt, oder dem Bestseller „Favorit“, wurde ständig nach neuen herausragenden Ideen gesucht, die nicht modisch, sondern zeitlos, gleichzeitig aber charaktervoll sein sollten. Wobei es nicht nur um das gute Design geht, sondern auch um die technische Entwicklung der Schlösser, Norm- und Spezialbeschläge.
Seit Anfang der 90er Jahre konzentriert man sich besonders auf junge österreichische Designer. So begann eine Kooperation mit dem Wiener Absolvent der Meisterklasse für Design an der Hochschule für angewandte Kunst, Michäl Schäfer, der acht verschiedene Produkte entwickelte und dessen Modell ,,Servus“ 1996 mit dem if-Design Preis in Hannover ausgezeichnet wurde. Ein Garderobensystem entwarf der Architekt und Industriedesigner Michäl Wagner, und die neuesten Produkte sind zwei Türdrücker von Gottfried Palatin, wiederum ein junger Österreicher, dessen Ideenreichtum und hohe Qualität die Produktpalette von WG bereichert.
Nicht genug damit, dass die Firmeninhaberinnen stets auf der Suche nach gutem Neuen sind, dass sie mutig das Unetablierte fördern, sie machen auch eine interessante Firmenpolitik, die weit über das sonst in Österreich Übliche hinausgeht. So wurde das 100jährige Firmenjubiläum zwar auch mit den üblichen Festivitäten, wie Festreden, Essen, Trinken und Tanzen gefeiert, aber mit der Künstlerin Johanna Kandi auch ein sehr persönliches Projekt realisiert: die über 200 Mitarbeiter der Firma wurden eingeladen, ihren Arbeitsplatz und ihre Kollegen zu fotografieren. „Mit dieser Arbeit stelle ich die Frage nach der Definition von Arbeit und ihrer Stellung in der Gesellschaft in einer Form, die für viele Leute eine Antwort ermöglicht“, schrieb Johanna Kandi als Begründung ihrer Idee, denn ,,am Wert von verbalen Umfragen zweifle ich in diesem Fall“ meint sie sicherlich zurecht. Der Kulturhistoriker Wolfgang Kos schrieb einen informativen, aufschlussreichen Essay, und Johanna Kandi sammelte Texte über Arbeit aus verschiedenen Schriften, von Thomas Morus, aus dem 16. Jahrhundert, über Auszüge aus verschiedenen Science Fictionutopischen und phantastischen- Romanen von Stanislaw Lem, Upton Sinclair, Douglas Adams, George Orwell bis zu einem Text von Peter Sloterdijk. Fotos und Texte wurden in einem Katalog zusammengefasst und darüber hinaus noch eine Ausstellung im Gobelinsaal der Wiener Staatsoper veranstaltet. Auch das Marketing geht andere Wege, neben der üblichen Information über jedes einzelne Produkt mit allen technischen Details, stellt die Firma in kleinen Büchlein ihre Designer vor, die Zielgruppe der Käufer, der Fachhandel, aber vor allem Architekten und Bauherren können so die Persönlichkeiten kennenlernen, deren Produkte sie einbauen, deren Tür- und Fensterbeschläge, Türpuffer, einbruchhemmende Beschläge und Garderobehaken sie verwenden.
„Alle Türdrücker haben dieselbe Aufgabe-Türen zu öffnen. Die Kunst des Designers besteht also darin, für einen der geläufigsten Gegenstände, so alltäglich, dass man ihn in der Regel gar nicht mehr wahrnimmt, eine eigenständige, die Sinne bestechende Form zu erfinden“, schrieb Bernhard Kraller in der Publikation über Gottfried Palatin. Und genau das ist auch die Absicht der Metallwarenerzeuger Grundmann: die Schönheit und die Funktion müssen eine Harmonie eingehen, um zu überzeugen und ganz und gar selbstverständlich zu sein.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1998