On Information
Wolfgang Raffesberg, 1957 in Wiener Neustadt geboren, beschäftigt sich seit 1984 mit künstlerischer Fotografie. Seit 1992 arbeitet er an dem Werkkomplex ON INFORMATION und der Arbeitsgruppe DE PICTURA, einer Serie von zufällig vorgefundenen Überlagerungen von Bild- und Schriftfragmenten beidseitig bedruckter Zeitungsseiten. Direktabzüge dieser Papierfragmente überträgt er in einem aufwendigen Verfahren auf fotografisches Material und montiert sie zu neukontextuierten Tableaus und Bildserien. Das Gefundene einzuordnen geschieht in einem Prozess, der sowohl Fragmente als auch Spuren zulässt und sich nicht mit dem reinen Informationsgehalt der Sammlung zufrieden gibt. Aus dieser Arbeitsweise resultiert eine Reihe von künstlerischen Untersuchungen zu medientheoretischen und philosophischen Fragen des Begriffes Information. Fragen nach dem kulturellen Kontext, nach Historizität und Authentizität, nach dem Kultischen an Information und dem Erinnern an Bedeutung stehen hier im Vordergrund. Wolfgang Raffesberg bezeichnet sich selbst als ,,Medienkünstler alter Medien“. Er liebt alte Bücher,
manchmal findet man ihn im Wiener Augustinerlesesaal beim Betrachten alter Drucke. Von den prägenden Informationssystemen unserer Zeit dem Fernsehen, dem Internet, den Printmedien – wählt er nicht zufällig Zeitungsmaterial als Ausgangsmedium für seine fotografischen Arbeiten aus. Die Frage nach der Materialität von Information ist ihm wichtig. Die Oberflächenveränderung. Der hand-
werkliche Prozess. Er sammelt Zeitungen, Zeitschriften, Hochglanzmagazine, manchmal nur nach typografischen oder ästhetischen Kriterien, ohne die Sprache zu
verstehen. Die Sprache ist irgendwann einmal nicht mehr das Äquivalent einer konnotierten Wortbedeutung, sondern eine Mischung aus Differenzerfahrung und der Identität einer künstlerischen Wahrnehmung. Buchstaben setzt er nicht als Teile
eines Sprachsystems ein, sondern als Teile eines Bildsystems. Die Bedeutung dieser Sprache macht er nicht an vordergründiger Information fest, sondern an dem vielschichtigen System seiner Bilder. Eine Metasprache entsteht: zwischen Text und Bild, zwischen abstraktem Zeichen und kulturellem Kontext. Eine Bildsprache, die eng verknüpft ist mit seiner fragmentarischen Arbeitsweise. Ein diskontinuierlicher Prozess, der eine neue mediale Wirklichkeit erzeugt: kritisch, politisch, ironisch, und
immer im höchsten Maße poetisch. Viele dieser Arbeiten erinnern an etwas, erscheinen als Zitate bestimmter künstlerischer Traditionen. ON INFORMATION spielt mit den Zeichen erster medienkritischer Ansätze in der Kunst des beginnenden 20. Jahrhunderts. DE PICTURA erinnert an das Fresco der Renaissance. Aber nicht die Untersuchung von historischen Aspekten ist das Thema von Wolfgang Raffesberg, sondern viel mehr geht es ihm darum, ein Fragment zu schaffen mit einer
unbestimmbaren Historizität. Etwas zu erschaffen, was Geschichtliches vermittelt, aber nicht als Produkt einer bestimmten Zeit gesehen werden kann.
Nicht das Analysieren von Information steht im Vordergrund, sondern die Verknüpfung mit einer Bedeutung, mit einer Erinnerung. Diese ,,Ästhetik des Erinnerns“ hängt eng mit seiner fragmentarischen Vorgangsweise, mit der Suche nach Spuren und Zeichen und deren Neuordnung zusammen. Woran die Bilder erinnern, entsteht oft erst im Arbeitsprozess. Aber ist Erinnerung nicht immer
auch ein fragmentarischer Prozess? Im Zentrum des Werkes von Wolfgang Raffesberg steht nicht, Abbilder einer medialen Wirklichkeit zu erzeugen,
sonderntransmediale undtranshistorische Verknüpfungen und Erinnerungskomplexe zu erschaffen, in ihrer eigenen (Bild)Welt und ihrer persönlichen (Bild)Sprache.
,,Denn Künstleridentität definiert sich an Haltungen und nicht am Vorgang, künstlerische Produkte in die Welt zu setzen.“ (Wolfgang Raffesberg)