Pionierin
Margot Pilz hat noch gewaltig viel vor. Sie geht über vor Ideen, ihr Schaffensdrang und ihr persönlicher Stil lassen an eine junge Künstlerin bzw. einen jungen Künstler denken, deren bzw. dessen große Zeit noch bevorsteht. Vielleicht ist es genau so. Dabei blickt Margot Pilz auf mehr als ein halbes Jahrhundert zurück, das reich an Werken wie auch an künstlerischen Techniken ist und von der Fotografie über die Performance hin zu neuen Medien, Installationen und zur Skulptur führt.
Ein wichtiger Impuls für das feministische Engagement war für Margot Pilz ihre Festnahme durch die Polizei beim dritten Frauenfest in Wien 1978. Fortan war ihre Kunst politisch; sie arbeitete Unterdrückung, Beklemmnisse und soziale Schräglagen ebenso auf wie ihre eigene Geschichte. Als Mitglied der „Intakt – Internationalen Aktionsgemeinschaft Bildender Künstlerinnen und Künstler“ fand das performative Schaffen der 1970er- und 1980er-Jahre vor Publikum oder auch im Atelier vor der Kamera statt, immer unter Einbezug anderer Künstlerinnen und Künstler – dem Credo der Partizipation folgend.
Dem entsprang auch das wohl bekannteste performative Werk der Intakt-Gruppe, die „Hommage à Kremser Schmidt“ des Jahres 1979. Die männlichen Darsteller des „Letzten Abendmahls“ des Barockmalers werden von Margot Pilz durch Frauen in Alltagskleidung – allesamt Künstlerinnen und Künstlerkolleginnen – ersetzt. Darunter auch Christa Hauer, die als Intakt-Gründerin den Künstlerinnen und Künstlern in ihrer Galerie im Griechenbeisl ebenso eine Ausstellungsmöglichkeit bieten konnte wie deren Schloss in Lengenfeld zur viel beachteten Bühne feministischer Kunst mutierte.
Schon das frühe Schaffen von Margot Pilz macht die Körperbezogenheit zum Prinzip. Die „Weiße Zelle“ ist ein Höhepunkt dieses Schaffensabschnitts. Darin kulminiert das „Eingezwängt-Sein“ als physischer Zustand und psychische Befindlichkeit. Dass diese Arbeit der frühen 1980er-Jahre auf die eigene Kindheit zurückgeht, wurde 2014 mit „Once upon my Time – Java 1942“ klar, einem Hybrid aus Performance, Video und Installation, der ihre Inhaftierung in einem indonesischen KZ auf Java zum Inhalt macht: Es ist die traumatische Erfahrung einer Kindheit in Indonesien, die 1942 abrupt durch die Invasion japanischer Truppen in eine Gefangenschaft mündete, die von Hunger, Angst und Folter gekennzeichnet war. Mit sieben Frauen und zwei Kindern war Pilz in einem winzigen Zimmer zusammengepfercht.
Vieles am Schaffen von Margot Pilz war und ist ihrer Zeit voraus. Neben den Sekundenskulpturen, die in das Werk von Erwin Wurm eingegangen sind, ist sie Pionierin der Medienkunst und schuf mit dem Projekt „Kaorle am Karlsplatz“ 1982 eine funktionierende Utopie aus Kunst und Leben, aus Performance und Einladung zum Chillen. Diese „auf die Umwelt und das Artensterben bezogene soziale Skulptur“ erzielte im Rahmen der Wiener Festwochen spektakuläre Erfolge. Jahrzehnte vor den Konzepten, die zahlreiche europäische Städte mit Sand- und Strandanklängen überziehen sollten, hatte Margot Pilz den Karlsplatz mit Elementen des Mittelmeers versehen und damit eine unmittelbare künstlerische Erfahrung geschaffen, die sich in unser aller Erinnerung eingebrannt hat.
Ihre aktuellen Werke sind ebenso aufsehenerregend, gerade der Blick auf das Älterwerden in einer Zeit ausgeprägten Jugendkultes ist ein zentrales Thema. Jüngst haben zwei Ausstellungsbeteiligungen („Die Kraft des Alters“, Belvedere 2017, und „Faszination Japan“, Kunstforum Wien 2018) das auf großartige Weise reflektiert und ironisiert.
Margot Pilz ist auf dem Sprung zu einer großen Karriere. Dass die Aufmerksamkeit, die ihrem Schaffen entgegengebracht wird, auf einer breiten internationalen Basis erfolgt, hat Gabriele Schor mit der unermüdlichen Sammlung, Aufarbeitung und Präsentation im Rahmen ihres Engagements für die Verbund AG vorbereitet.
Das Schaffen von Margot Pilz hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt; mehr noch: Viele Arbeiten wirken heute, als wären sie erst gestern entstanden. Dabei blickt sie auf ein Schaffen zurück, das facettenreicher und großartiger kaum sein könnte.