Alien Productions

Medienkunst
Künstlerisches Video, Kunst im elektronischen Raum und die Grenzen von Fachdisziplinen überschreitende Kunst
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Alien Productions konzipieren ihre künstlerischen Projekte an der Schnittstelle zwischen physischem Raum und virtueller Welt, an der Grenze zwischen dem Begriff des Seienden, der eine existierende Welt von Gegenständen, Eigenschaften oder Beziehungen voraussetzt, und dem des Möglichen, der Realisierbarkeit eines gedachten Gegenstands, Vorgangs oder Zustands im praktischen oder theoretischen Sinn.

Ihre akustischen und optischen Manifestationen komponieren sie aus Versatzstücken der ihnen zugänglichen Welt – gewonnen durch penible Betrachtung und Erforschung – und denen ihrer eigenen utopischen Phantasien. So entwerfen sie mutig neue Interpretationen unserer Welt und Theorien anderer denkbarer Universen, unendlich teilbare Systeme, konstruiert zur Beschreibung einer Zeitachse, die sich gegenläufig ad infinitum dreht, und stellen so Interpretationen und Visionen über Zeit und Raum in die öffentliche Diskussion.

Als frühes medienübergreifendes, authentisch richtungsweisendes Schlüsselwerk zu dieser speziellen universellen Vorgehensweise zeichnet sich für uns ihre Konzeption, Realisation und Beschreibung ihrer virtuellen, „im Diskontinuum von Zeit und Raum des Worldwideweb schwebenden“ Stadt Alien City aus (http://alien.mur.at).

Durch neue analoge und digitale Maschinen, Computer und Programme ist der physische Raum des 21. Jahrhunderts längst durchlässig (hybrid) und universell geworden, und genau diese Durchlässigkeit und Universalität ist auch bei Alien Productions zentrales Motiv ihrer interdisziplinären Produktionen.

Wo die Trennung zwischen Mensch und Maschine nicht mehr eindeutig ist und die Grenzen liquid geworden sind, werden Maschinen bei unterschiedlichen kreativen Prozessen als Co-Produzentinnen und Co-Produzenten eingesetzt, und ihr Output wird durch gezieltes Eingreifen der Künstlerinnen und Künstler erweitert, verändert und korrigiert, also – mehr oder weniger von der ursprünglichen Intention abweichend – zum individuellen Werk der Gegenwartskunst geformt.

„Die generativen und prozessualen Strukturen, mit denen diese Fragmente neu geordnet und verändert werden, stammen vielleicht von anderen Orten, Menschen, Maschinen oder Programmen.“ (http://alien.mur.at)

Alien Productions oszillieren in ihren Produktionen nicht mehr nur auf der linearen Achse kreativer Übersetzungsprozesse, jener der bereits anerkannten audiovisuellen Medienkunst. Ihr Tätigkeitsfeld ist wesentlich interessanter, weitreichender und engagierter und umfasst neben Intermedia-Performances und -Installationen, elektronischer Musik, Netzkunst, Radiokunst, interaktiver Kunst und künstlerischer Fotografie auch konsequente, jahrelange kunstvermittelnde Tätigkeit als Kuratorinnen und Kuratoren von Fluss – Niederösterreichische Initiative für Foto- und Medienkunst.

Künstlerinnen und Künstler, die über die Arbeit ihrer Kolleginnen und Kollegen schreiben, dürfen ohne kunsthistorische Verantwortung Interpretationen nach ihrem höchst subjektiven Wertesystem liefern, in dem auch Sympathie eine Kategorie ist. So lenken wir zum Abschluss die Aufmerksamkeit auf einen ganz speziellen Arbeitsansatz von Alien Productions, der einerseits liebevoll erheiternd, andererseits absolut riskant ist und künftiges Sprengmaterial in sich tragen könnte: Metamusik, eine Klanginstallation mit und für Graupapageien.

Das Projekt zielt darauf ab – in enger Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftlern, Tierpflegerinnen und Tierpflegern – Werkzeuge bzw. Musikinstrumente mit eingespeicherten Klängen und Geräuschen von Tieren für Tiere zu bauen. Über Sensoren können die Vögel spielerisch die Klänge wieder abrufen. Die Tiere sind in dieser Laborsituation die kreativen Protagonistinnen und Protagonisten; ihnen steht frei, was sie tun wollen, ob und wie sie mit ihren eigenen Klängen kommunizieren möchten, der Mensch ist nur Assistentin und Assistent sowie Konsumentin und Konsument.

Bleibt also die zentrale Frage offen: Wenn Tiere absichtlich, Automaten zufallsgesteuert und Algorithmen autonom die Gestaltungsarbeit übernehmen, wie lange dauert es noch, bis Künstlerinnen und Künstler obsolet sind?

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2019