Grafik im XL-Format
„Linien sind Lebensspuren,
Linienzüge wie Atemzüge,
Zeichnen ist das Anhalten der Zeit.“
Ernst Skrička
Seit den künstlerischen Anfängen in den 1960er-Jahren wählt Ernst Skrička als bevorzugtes Material für seine Bildwerke das Papier. In seiner speziellen Haptik und Struktur, handgeschöpft, grob oder fein mit allen vermeintlichen Unvollkommenheiten der händischen Fabrikation, ist es das ideale Trägermaterial für das Zeichnen mit Stiften, Federn und Pinseln. In der Druckgrafik dominiert die Radierung in teils intimen, teils ungewöhnlich großen Formaten, mit denen Skrička eine Alleinstellung in der österreichischen Grafik einnimmt. Durch Ritzungen und Ätzungen erlangen die Drucke eine zusätzliche plastische Dimension. Fast immer ergibt sich daraus ein Wechselspiel aus präzise gesetzter Linie und spontan entstandener Fläche.
Während in den Arbeiten zwischen 1960 und 1980 das Volumen von Skričkas Kreaturen – ähnlich den Waldviertler Findlingen – den Bildraum erfüllt, kommt es ab circa 1980 zu einer Neuorientierung in der künstlerischen Ausdrucksweise. Die Linie tritt verstärkt in Erscheinung. Meist fragmentarisch. Bruchstückhaft ersetzt sie die Masse des Körpers und gestaltet in tänzerischer Leichtigkeit das Blatt. Hand in Hand mit der neu verordneten Skizzenhaftigkeit der Werke kommt die Poesie der Sprache vermehrt ins Spiel. Die Titel benennen nun nicht mehr nur das Thema per se, sondern helfen, eine bestimmte Emotion beim Betrachter hervorzurufen und das optische Erfassen der künstlerischen Anliegen trotz Reduktion und Abstraktion erfahrbarer zu machen. Werke von emotional aufgeladener und körperlich spürbarer Kraft entstehen.
Im Fokus steht dabei die Gestalt des Menschen, die Skrička mit seiner unverwechselbaren Handschrift in grafische Kürzel übersetzt, wodurch er existenziellen Befindlichkeiten Ausdruck verleiht. Somit artikuliert er die Stärken und Schwächen, Ängste, Nöte und Freuden des Menschseins in ihrer gesamten Bandbreite, ohne dabei spekulativ zeitgeistig zu agieren. Exemplarisch sei hier der am Anfang dieser Entwicklung stehende Radierzyklus „Menschenbilder“ (1985) genannt.
Als besonderes Beispiel großformatiger Pinselzeichnungen sei der Werkzyklus „Atmen“ (2005) hervorgehoben. Auf indischen Handbüttenblättern erscheinen lungenflügelähnliche Gebilde von irritierender Präsenz, die uns die vitale Bedeutung des Atemschöpfens und Durchatmens, physisch und psychisch, bewusst machen. Oftmals arbeitet der Künstler in Werk-Serien und Zyklen, die auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt sind.
Ernst Skrička, 1946 in Wien geboren, ist ein Künstler, dessen Oeuvre die österreichische Kunstgeschichte seit mehr als 40 Jahren mitgeprägt hat. Der an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Maximilian Melcher ausgebildete Grafiker studierte parallel dazu Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Wien. 1970 schloss Ernst Skrička seine Studien mit dem Lehramtsdiplom für Bildnerische Erziehung und Werkerziehung sowie mit dem Diplom „Akademischer Grafiker“ ab. Eine erste Auszeichnung für seine künstlerische Arbeit erhielt er mit dem Abgangspreis der Akademie. Es folgten weitere Anerkennungen wie z. B. der Österreichische Staatsförderungspreis, der Kulturförderungspreis des Landes Niederösterreich, das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst Erster Klasse und die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Unserfrau-Altweitra.
Seit 1979 ist Heinrichs bei Weitra im Waldviertel Lebens- und Schaffensmittelpunkt für Ernst Skrička, dessen Druckgrafiken, Collagen, Malereien und Zeichnungen u. a. in der Albertina in Wien (1986), im Rupertinum in Salzburg (1989), im Lentos in Linz (2000), im Verein für Originalradierung in München (2013) oder in der Ausstellungshalle der historischen Eisenberger-Fabrik in Gmünd (2016) gezeigt wurden.
So stellt der Würdigungspreis des Landes Niederösterreich die besondere Wertschätzung des vielschichtigen Lebenswerkes dieses außergewöhnlichen Künstlers dar und zeichnet den Menschen Ernst Skrička als unverzichtbaren Protagonisten der niederösterreichischen Kulturszene aus.
Judith P. Fischer