Gerda Lampalzer

Medienkunst
Künstlerisches Video, Kunst im elektronischen Raum und die Grenzen von Fachdisziplinen überschreitende Kunst

Apparativ, visuell, narrativ

Überblickt man das zwanzigjährige künstlerische und theoretische Schaffen von Gerda Lampalzer, so fällt einem dessen Vielfältigkeit, Quantität und Komplexität ins Auge. Vom Video über Photographie bis neuerdings zum Internet reichen die audiovisuellenAuseinandersetzungen, die permanent von einer theoretischen und praktischen Vermittlungsarbeit (Medienwerkstatt Wien, Universität für angewandte Kunst in Wien) begleitetwaren und sind. Hinzu kommen zahlreiche Ausstellungen und Teilnahmen an österreichischen und internationalen Videofestivals sowie eine umfangreiche medienpublizistische Tätigkeit ( 1992 erschien etwa die umfangreiche resümierende Arbeit ,,Videokunst-historischer Überblick und theoretische Zugänge“). Nicht zuletzt auf Grund dieses Werdeganges zeichnet sich ihrWerk durch das Spannungsfeldvon Praxis und Theorie, von Rationalität und Emotionalität sowie von Dokumentarik und Konstruktion aus. Momente des Kommunikativen und des Austausches spielen dabei eine konstitutive Rolle, die gerade in der Arbeit der 1990er Jahre durch Zusammenarbeit mit anderen Künstlerlnnen geprägt ist. Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Arbeit Anfang der achtziger Jahre bildete die dokumentarische Videoarbeit, wobei Fragen nach der medialen Konstruktion des Dokumentarischen sehr bald eine Diversifizierung ihres Ansatzes nach sich zog. In vielen künstlerischen Arbeiten wurde das jeweilige Thema selbst zum Fokus des gestalterischen Verfahrens. Dabei ging und geht es nicht einfach um Inhalte, sondern um die möglichen Formen dessen, was als immanente Potentiale der verwendeten Medien ausgelotet werden kann. Aspekte der Montage, der Reihung und auch medialen Spiegelungen wurden zu wichtigen Konstanten für die Konstruktion einer audiovisuellen Narrativität.Lampalzer visualisiert in gewisser Weise „Ge schichten“, die einerseits immer wieder dokumentarische Verweiskraft in sich tragen, andererseits aber gerade dadurch, daß sie bewußt die Spielregeln des formalen Machens reflektiv einsetzen, auch zu medialen Metadiskursen werden. So schreibt sie einmal: „In einer Zeit, wo ich versuche, Ansätze von Narration zu entwickeln, mache ich gerne nebenbei etwas, das ganz formalistisch ist. Innerlich suche ich also immer einen Gegenpol“.In vieler Hinsicht ist das Phänomen Wahrnehmung angesichts audiovisueller Apparaturen selbst zentrales Thema der künstlerischen Arbeit. Sie spricht sogar bewußt von einer ,,Maschinenwahrnehmung“, die es gilt, konzeptuell einzusetzen. Dabei geht es vor allem darum, das Visibilisierungspotential des apparativen Blicks zu erfahren und sich ,,den Bedingungen einer Maschine auszusetzen“. „Collected Views“, eine 1991 gemeinsam mit Manfred Neuwirth entstandene Videoinstallation, thematisiert diese technischen Möglichkeiten der Gewinnung maschineller Sichtbarkeiten. Entscheidend dabei ist, daß das vorrangige Interesse genau aufjenen Schnittstellen liegt, wo mittels audiovisueller Apparate eine für das menschliche Auge nicht wahrnehmbare Visualität gewonnen wird.Dies ist auch ein Aspekt für die langjährige Einbeziehung des Photoapparates. In der Geschichte der Bildmedien nimmt erjenen historischen Platz ein, mit dem es erstmals möglich wurde, etwas sichtbar zu machen, was mit bloßem Auge nicht erkennbar ist (Bewegungs- und Röntgenphotographie etwa). Für Lampalzer wird die Photographie zu einem ,paranormalen“ Medium. Die experimentelle Dokumentation ,,Paranormal“ (gemeinsam mit Manfred Oppermann 1997 geschaffen) stellt das Verhältnis von Zeit, Medium und Wirklichkeit in den Mittelpunkt der künstlerischen Auseinandersetzung. ,,Paranormal“ untersucht mögliche parallele Wirklichkeitsphänomene, die ausschließlich kraft der Zeiteffekte der Medien transparentwerden können. Dabei interessiert sie vor allem die spezifische Ästhetik dieser photographischen Erscheinungen, ihr zwischen real und imaginär changierender Charakter. In diesem Zusammenhang gewinnen mediale Installationen und Objektarbeiten in Verbindung mit dem Medium Photographie zunehmend an Bedeutung, natürlich auch um der Komplexität dieser Phänomene berecht zu werden.Immer mehr rücken in den letzten Jahren im Werk der Künstlerin neben medientheoretischen auch philosophische Fragestellungen ins Blickfeld ihrer Aufmerksamkeit, insoferne in einer Mediengesellschaft Medien per se einen existentiell-konstitutiven Charakter angenommen haben. Medien werden für Lampalzer ein logischerweise ,,idealer Ausdruck … über die Organisation von Wirklichkeit überhaupt etwas auszusagen“. In derVerschränkung von Wahrnehmung, Apparatur und Realität liegt nicht nur ein „Geheimnis“ gegenwärtiger Identitätsgewinnung bzw. -stiftung, sondern gleichzeitig auch jene fundamentale Basis unserer Wahrnehmungskonditionen, denen wir uns nicht entziehen können -sie sind Grundlage undvisueller Produktionsfaktor in einem. Gerda Lampalzer ist sich dessen nicht nurbewußt, sondern begreift diese Faktoren gleichsam als neuralgische Ausgangs- und Endpunkte ihrer künstlerischen Diskurse.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1999