Horst Zauner

Sonderpreis
Hochwertiges Bauen in sensibler Umgebung
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Im Dialog

Mit dem Neubau eines Hauses für einen Notar im historischen Stadtraum von Zwettl ist ein erstaunliches Projekt gelungen. Dieses Stadthaus setzt ein entschiedenes Zeichen gegen den Verlust von Infrastruktur und sozialem Leben in den gewachsenen Ortszentren. Der engagierte Notar als Bauherr wählt bewusst diesen Bauplatz, obwohl das Bauen an der Peripherie kostengünstiger gewesen wäre. Dem Bauen im Bestand zum Trotz findet der Architekt für die notwendige Infrastruktur überraschend logische und dadurch vorbildliche Lösungen. Es ist ein Projekt engagierter Menschen, die Rücksichtnahme im Sinn des Gemeinwohls mit vorausschauender Logik und zeitgenössischer Formensprache verbinden. Hier wird Innenentwicklung vor Außenentwicklung tatsächlich gelebt. Nachverdichtung wird zum Ansporn, neue architektonische Lösungen zu finden.

Der lange Bauplatz, nur zwischen sieben und neun Meter breit, ist beidseitig von Bestandsgebäuden umgeben. Acht Autoabstellplätze samt Umkehrplatz finden dennoch im Erdgeschoß Platz. Darüber, im ersten Stock, die Büroräume. Im Dachgeschoß eine Wohnung. Das ganz Besondere an diesem Bauwerk sind die verglasten Innenhöfe im ersten Stock, die so großzügig wunderbares Tageslicht auf die ebenerdigen Parkgelegenheiten fließen lassen. Selten wirken Autoabstellplätze so freundlich. Grund dafür sind Pflanzen, die an Stahlseilen nach oben wachsen – unter anderem auch Hopfen. Siehe „Bierstadt Zwettl“.

Nach außen zeigt sich das Haus im selbstbewussten Dialog mit der Formensprache der Nachbarn. Erdfarbener Strukturputz als historische Reverenz, auf dem mattweiße Rahmungen die Fenster betonen. Ein Symbol selbstbewussten Bauens.

In einer Art Manual, das den Titel „Fundament“ trägt, schreibt der Architekt über seine Arbeitsweise: „Gute Architektur entsteht im Dialog. Ein gutes Gespräch braucht Zeit, um sich entwickeln zu können. Mit der Lösung von Bauaufgaben verhält es sich ähnlich. Gute Architektur sucht den Dialog mit der (gebauten) Umwelt.“

Wer baut, reagiert auf bereits Gebautes. Wer gut baut, berücksichtigt die spezifischen Rahmenbedingungen des Ortes.

Christian Knechtl

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 2018