Wie das Leben halt so ist
Wer über das Leben etwas erfahren will, ist gut beraten, sich an Josef Hader zu halten. Er hat in seinem legendären Programm „Privat“, das mit über 500.000 Besucherinnen und Besuchern als erfolgreichstes Kabarettprogramm Österreichs gilt, schon vor einem Vierteljahrhundert die lapidare Erklärung geliefert:
„so ist das leben / der eine kommt nach paris / die andere kommt nicht nach paris / wie das leben halt so is“.
Um den Refrain eine Strophe später abzuwandeln:
„so ist das leben / der eine kommt nach paris / die andere nach schruns-tschagguns / jaja, das leben spielt mit uns“.
Wer das als oberflächlichen Gag um des Reimes willen abtut, hat die Dimension des Hader’schen Humors nicht erfasst. Warum gerade Paris, warum gerade das Bergdorf Schruns-Tschagguns im Vorarlberger Montafon? Vielleicht, weil sich an beiden Orten weitere große „H“s aufgehalten haben? In Schruns-Tschagguns verbrachte der Abenteurer und spätere Literatur-Nobelpreisträger Ernest Hemingway zwei für sein Schaffen wesentliche Winter. Und in Paris endete 1938 das Leben der Dramatikerin und des Dramatikers Ödön von Horváth, als ihn ein herabfallender Ast bei einem Gewittersturm auf den Champs-Élysées erschlug.
Dieser Ast spielt bei Hader eine wichtige Rolle, er begleitet ihn durch das Programm „Privat“ und will den fatalen Totschlag wiedergutmachen. Das ist wohl ein Hader’sches Kernmotiv: Die Katastrophen sind schon passiert oder unabwendbar, aber es gibt noch immer das Bedürfnis, etwas gutzumachen. Das ist einerseits tröstlich, andererseits nur mit einer großen Portion Sarkasmus aushaltbar.
Mit Hemingway mag ihn aufs Erste wenig verbinden, mit Horváth manches: galliger Humor, Sinn für das Tiefgründige im Banalen und umgekehrt sowie ein sprachliches Sensorium literarischer Güte. Auf eine Publikumsfrage, ob er wirklich so sei, wie er spiele, oder ob er nur so gut spiele, antwortete er:
„Ich bin so gut, dass ich wer anderer bin, als ich bin.“
Ein für die stete Suche nach dem eigenen Ich bezeichnendes Paradoxon par excellence. Schließlich nennt er seine Auftritte nur noch „Hader spielt Hader“.
Dass Hader Franz Kafka schätzt, lässt sich aus vielen köstlich absurd anmutenden Passagen ablesen. Wahrscheinlich hätte auch Kafka viel Freude, zum Beispiel mit den wie ein Leitmotiv wiederkehrenden Auseinandersetzungen mit dem Teufel, der als Stoascheißer-Koarl unverdrossen versucht, Hader hereinzulegen, indem die Tabu-Frage „Wer?“ provoziert wird. Weshalb letztlich auch die Frage „Wer bin ich?“ eine zutiefst diabolische ist.
In seinen Programmen geht es nie darum, Politikerinnen und Politiker oder „Vertreterinnen und Vertreter anderer Minderheiten“, wie er sagt, anzugreifen oder lächerlich zu machen. Hader als Person hingegen agiert dezidiert politisch, sei es in seiner Unterstützung von SOS Mitmensch oder auch der Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“, seinem Engagement gegen Kinderarbeit, für das Rote Kreuz und Greenpeace. Er rettete das Wiener Theater am Alsergrund vor dem Zusperren und, und, und.
Er ist wohl ein Prototyp jener oft als Gutmenschen diskreditierten guten Menschen, die genau sehen, was falsch läuft, und im Rahmen ihrer Möglichkeiten handeln. Den ach so taffen Bobo-Moralistinnen und Bobo-Moralisten, die immer genau wissen, wo es langgeht, den „Sympathieträgerinnen und Sympathieträgern in pastellfarbenen Sakkos“ schenkt er dieses schreckliche Grinsen, in dem eine Pointe erstarrt und kippt, das vorschnelle Lachen erstirbt, weil man in eine Falle getappt ist, ahnungslos.
Im Waldviertel aufgewachsen, im Stiftsgymnasium Melk sozialisiert, Kabarettist, Filmschauspielerin und Filmschauspieler – vom Schnitzeltester Bösel im kultigen „Indien“ über den Detektiv Brenner in den Wolf-Haas-Verfilmungen bis zum Schriftsteller Stefan Zweig („Vor der Morgenröte“) – und zuletzt auch Regisseurin und Regisseur („Wilde Maus“), wird Hader mit Anerkennung überhäuft.
Doch Beliebtheit „bildet nicht die Grundlage meiner Arbeit“, sagt Hader, dem jegliche Anbiederei zutiefst suspekt ist, der ehrliche, „abgeklärte Seniorenapplaus“ hingegen willkommen ist. Er bezeichnet sich selbst als „sehr trotzigen“ Menschen. Gut so. Es bräuchte deren so viele mehr.