Aus dem Leben eines Komponisten
Das Land darf sich schmucken, mit Kurt Schwertsik, demVielfachAusgezeichneten, und ihn mit dem Würdigungspreis beschenken. Natürlich auch ein Niederösterreicher. Einst Niederösterreichischer Tonkünstler, Hornist.Noch ein Stück Lebenszeit vorher, drei Jahre in Retz verbracht – die Kindheit während des Krieges. Schwertsiks Niederösterreich -ein Häuschen nördlich der Donau, klein und fein, umgebenvon Feldern, die meist zeitgemäß lautstark bearbeitet werden, aber im kleinen Gärtchen ist Platz für ein ruhiges Gespräch mit seiner Frau und deren Mutter. Feste, immer Familienfeste, sein Geburtstag fällt gern mit dem eines anderen Familienmitgliedes zusammen. Alle sind Stars. Selbst seine allzeit jugendliche Muttertrittjetzt in einem Film auf. Cynthia mit einer Installation in derWiener Staatsoper. Julia, die auch noch Flöte spielt. Katharina, die einst Cello lernte. Christa, die seine Lieder nach Christine Nöstlinger singt, ,,Iba de gaunzoaman Fraun“, die mit ihm am Klavier im Rabenhof Mascha Kaleko gibt. Alle gemeinsam in einer Tannhäuser Parodie-immer ein Publikumserfolg. Familienfest, fröhliches Ehedrama, etwa: Die Zauberflöte 25 Jahre später, ist auch Schwertsiks Oper ,,Die Welt der Mongolen“, mit der er und der Librettist Köhlmeier genau den Tonfall trafen, den das Linzer Premierenpublikum goutierte. Er traf den richtigen Ton, er kann sichverständlich machen. Man vertraut ihm, daß er auch die Kinder berühren kann. Ein Auftrag für das Kinderzelt der Wiener Staatsoper ist im Gespräch. Er hat Stil. Die Kleidung Ton in Ton, ein wenig ausgefallen – eine Samtweste?- ein wenig Verkleidung, sanfte Anlehnungen.Natürlich auch an Komponisten, aber das ist schon wieder der Gelehrigkeit wegen erzählt – denn ehrt es Satie oder Schwertsik, daß Letzterer auch eine möbelmusikschrieb? Auch Saties fröhliche Titel hat Schwertsik übernommen, nein er hat einfach seine Musik mit fröhlichen Titeln geschmückt. Vielleicht wollte er auch seine Musik lustig, tragische Opern hat er schon als Kind genug gehört. Lustig kann nur der Komponist sein, die Musik kann es nicht.Wenigstens die Feierlichkeit hat er ihr nehmen können-wobei das mit distanzvoll-poetischen Zeitgenossen und anderen guten Freunden ein wenig leichter ging. Anlehnungen in den Kompositionenschon einmal gehört, diese Stimmung, diesen Sound, und dochso nicht. Er wäre gern der wirkliche Avangardist, aber er ist Schwertsik geworden. Sein Einsatz für die neue Musik ist historisch und feierte mit der Reihe gerade seinen 30. Geburtstag. Wobei die Reihe nicht das einzige Engagement in neuer Musik ist: die Salonkonzerte, aus denen „Salonstücke“ geblieben sind, das Mob Art und Ton Art Ensemble, an das eine ,,Symphonie im Mob Stil“ erinnert.Er trifft den Ton – dann, wenn berührende, auch hilflose Gestalten auf der Bühne seine Unterstützung brauchen: die Dichterin Mascha Kaleko, der Woyzek und Frida Kahlo, die exzentrische, verkrüppelte Malerin. Seine Kunst ist es, diesen Hilflosen eine unpompöse Stimme zu geben, aus den vielen möglichen die einzelne, oder gerade die zwei Richtigen, zu wählen, wie der einsame Geiger, der,wie in Chagalls Bildern, einen Woyzek lang auf der Burgtheater Bühne unvirtuose Töne spielt; wie Eichendorffs Taugenichts, dem er in seinem Bläserquintett eine Stimme gegeben hat. Eine menschenfreundliche Musik.Auch seinen Schülern. Er ist ein geachteter, vielgeliebter Lehrer an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Und erfolgreich wie der vorigjährige Anerkennungspreisträger Friedrich Keil beweist. Was er auch alles zu erzählen weiß: von Beethovens Kompositionsunterricht, Cezannes störrischem Wesen, von Operette in Ottakring, Woody Allen und Aki Kaurismäki. Man trifft ihn bei Wien Modern Konzerten genauso wie auf dem Weg zum Kabarettabend Karl Ferdinand Kratzls im Radiokulturhaus oder in der Tiefgarage des St. Pöltner Festspielhauses nach einer Robert Wilson Inszenierung. Er liest, betrachtet, hört aufmerksam, was in seiner Zeit passiert, läßt sich von Musiksendungen im Radio inspirieren, er ist ein Kenner. Und die Tatsache, daß er ein Experte, ein Ratgeber ist, kommt auch den Schülern zu gute . Er hat schon für ein Festwochen-Hauskonzert Werke seiner Schüler zusammengestellt. Sein Name ist ein Label geworden. Das Jahr 2000 hat er schon vorvertont. ,,Der ewige Frieden“, in einer Festwochenoperette Mitte der 90er. Es gelingt ihm damit, mehr Applaus für sich als für das Stück zu ernten. Er und sein Werk sind nicht eins, er ist aufjeden Fall hoch geschätzt. Preise sind Folge und Ursache dieser Wertschätzung, der Große Österreichische Staatspreis die Krönung, Kritik an ihm wird öffentlich nur mehr in freundlich-bedauernden Liebesbriefen geäußert. Sein Einfluß in der Szene ist groß, früh und vor anderen wird um seine Meinung – gar Fürsprache? -angefragt; als Gastgeber wie auch wenn er abseits bleibt, ist er im Zentrum der Szene. Übrigens ist er einer der wenigen, die international verlegt sind. Die 60er, wo er mit seinen aktionistischen ,,Liebesträumen“ ein „Riesentrara“ erzeugte, sind leider vorbei. Voll wehmütigen Stolzes erzählt er gern, daß damals in Darmstadt Stockhausen ein Zuckerstückchen mit der Aufschrift ,,Beehren Sie uns bald wieder“ auf die Bühne warf, wobei der Skandal gar nicht so sehr im Herumwandern der Musiker zu ihren Instrumenten mit stetigem Austausch der Utensilien, sondern in den Dreiklangszerlegungen lag. Künstlern anderer Sparten, Malern etwa, gelang: er ist eine öffentliche Person: Talkshow-Gast über die Liebe, Gegenstand von Reportagen über ,,Das erste Mal“ oder Väter. Sein Publikum ist sicher nicht nur eines von Fachleuten, Komponisten gar-die p. t. Anwesenden werden mit seinen Stücken für Brassquintett ihre helle Freude haben. Das Land darf sich schmücken, mit Kurt Schwertsik, dem Vielfach Ausgezeichneten und tut gut, ihn als Ratgeber zu benützen.