Kunst braucht eine Haltung. Und kein Geschäftsmodell.
Die Karriere von Kurt Weckel verlief nicht eben geradlinig. Erst über viele Umwege fand er zu seinem Lebenswerk. Er hat Architektur studiert, sich in den frühen 1970er-Jahren intensiv mit alternativen Wohnformen auseinandergesetzt, an der Wiedererrichtung der Wiener Reichsbrücke mitgearbeitet, die U-Bahn-Station Donauinsel mitgeplant und später mehrere Großraumbüros gestaltet. Er hat in Berlin und Amsterdam gelebt und ist tief in die Kunstszene eingetaucht.
„An allen Ecken und Enden ist es darum gegangen: Wie präsentiere ich meine Kunst? Zugleich war das der Beginn der partizipatorischen und relationalen Kunst, rund um die Documenta X im Jahr 1997.“ Immer mit im Gepäck war ein enormes Interesse an der Schnittstelle zwischen Architektur, Kunst und sozialen Fragen. Heute gibt es dafür schicke Worthülsen; eine Visionärin oder ein Visionär wie Kurt Weckel denkt seit mehr als 40 Jahren in diesen Kontexten.
Dann ist ihm das Symposion Lindabrunn „zugestoßen“. Seit den späten 1990er-Jahren zeichnet er nun für neue künstlerische Inhalte und Arbeitsweisen an der Steinbruch-Straße 25 in Lindabrunn verantwortlich. Das Bestreben war, strukturelle Kunst anstelle skulpturaler Kunst zu entwickeln, unter anderem weil das Gelände skulptural „ausmöbliert war“, wie Kurt Weckel es formuliert; Kunstproduktion sollte nach dem Prinzip des Kollektivs und nicht nach dem Starprinzip stattfinden.
Es ist ein besonderer Platz, mehr als zehn Hektar groß, ein Hang am westlichen Ortsrand, mit einem spektakulären Blick ins Land hinein. Hier entstanden über einen Zeitraum von rund 30 Jahren bereits unter der Federführung der Künstlerpersönlichkeit Mathias Hietz mehr als 40 skulpturale Arbeiten von zum Teil erheblicher Größe. Direkt daneben liegt ein historischer und bis heute sporadisch bewirtschafteter Steinbruch, von dem das Material für die meisten der künstlerischen Arbeiten am Gelände stammt.
Nach dem Tod von Mathias Hietz 1996 wurde eine inhaltliche wie organisatorische Neuausrichtung benötigt. Es galt, diesem Ort der internationalen Steinbildhauerei eine neue Richtung zu geben; einen Weg zu finden, das Bestehende mit Wertschätzung und Gefühl zu pflegen und dabei dennoch relevante neue Inhalte zu entwickeln.
Und so begann Kurt Weckel mit seiner Arbeit. Im damals gerade heraufdämmernden Zeitalter von Internet und Digitalisierung hat er nach Antworten gesucht auf die Frage, was diese neuen Entwicklungen für die Kunst und ihre Produktion bedeuten. Welche Angebote die analoge Welt für die digitale legen kann, für eine Welt, in der sich – auch in der Kunst – so gut wie alle Produktionsbedingungen so radikal wie rasend schnell verändern.
Heute ist das Symposion Lindabrunn nicht nur ein riesiges begehbares Gesamtkunstwerk mit zahlreichen skulpturalen Setzungen und Ausfransungen bis in den Ort hinein. Hier existiert vor allem ein Ermöglichungsraum. Ein Ort der Inspiration. Der künstlerischen Gestaltungskraft. Des Austausches auf Augenhöhe, egal wie bekannt und etabliert die vor Ort arbeitenden Künstlerinnen und Künstler waren und sind. Hier treffen sich regionale, nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler und arbeiten miteinander. Hier wurden weltweit beachtete Arbeiten konzipiert.
Nicht zuletzt ist das Symposion Lindabrunn Kristallisationspunkt eines demokratischen Kunstverständnisses, eines Gegenmodells zum Starsystem des vor allem von der Logik der Umsatzsteigerung getriebenen internationalen Kunstmarktes.
„Unsere künstlerische Idee war: Kunstwerke erklären sich nicht durch sich selbst; sie werden erst durch Erzählungen aufgeladen. Traditionell lautet die Erzählung: Eine bestimmte Form erzeugt bestimmte Emotionen. Wir haben das ins Gegenteil verkehrt. Du definierst ein Thema und versuchst mithilfe von bestimmten Materialien, diesen Inhalt darzustellen.“
Unter der Ägide von Kurt Weckel ist das Symposion Lindabrunn zugleich radikal regional und international. Von höchstem Kunstanspruch und zugleich mit großem Interesse an den Menschen vor Ort. Hier berühren einander die analoge und die digitale Welt und bilden eine permanente Twilight Zone, einen Platz ohne Vorbedingungen.