Das Licht, ein morgendlicher Killer
Mit einer geradezu aberwaligenden Menge heftig bearbeiteter Blätter startet Michäl Blank, nach vielen Jahren der Konzentration aufs Dreidimensionale, neu aus den Boxen: mit Vogelfeder – selbstverständlich aus den Schwingen eines Adlers – und schwarzer Tusche attackiert er, dem Raubtier nicht unähnlich, das lämmergleiche, unschuldige Papier. Der Vorgang des Zeichnens ist gleichermaßen Aktion wie Ritual: die Arbeit beginnt, wenn die Dämmerung hereinbricht und es langsam dunkel wird. Wenn Alfred Kubins Monster und die unverschämten Comics Robert Crumbs, die Blank gerne durchsieht, im Zwielicht versickern. Dann schlägt die Stunde der Muslimgauze, einer im Gegensatz zu Crumb, politisch korrekten Britband, die mit ihren suggestiven orientalischen Sounds und Rhythmen durchaus so etwas wie Trance und Rauschzustände verursachen können. Das repetitive Klangmuster ist der Background, die Folie, vor der sich Michäl Blanks nächtliche Suche nach dem Bild ereignet. Blanks großes Thema ist das Licht. Seine Motivation, aus dem Unbewußten heraus zu arbeiten und von dort aus konkret zu werden. „Die Zeichnungen verändern sich im Licht“ sagt er, „ist es dunkel, nimmt man die große Form wahr, je heller es wird, desto mehr Detailstruktur kommt zum Vorschein.“ Es scheint also nicht ganz ungefährlich zu sein, dieses Licht. Vor allem morgens ist es, wie Cathryn Bigelow in ihrem Meisterwerk After Dark nachgewiesen hat, ein Killer. Der Morgen ist auch die kritische Schnittstelle für Michäl Blank, es ist der Zeitpunkt, die Ergebnisse der Schichtarbeit gutzuheißen oder zu verwerfen. Die Leitmotive – auf der einen Seite explosionsartige, eruptive Formationen, horizontale Schichtungen auf der anderen Seite entwickeln sich symphonisch und reiten auf den Wellen einer Bedeutung, die nicht so recht festzumachen ist im Spannungsfeld zwischen dem diffus Un/Unterbewußten und dem Versuch, ihm Form zu geben. Blank glaubt, jenen Punkt gefunden zu haben, an dem die Oberflächen durchlässig werden und den Blick aufdarunterliegende Emotionen freigeben. Was reziprok genauso gut funktioniert, dann nämlich, wenn die unkodierten Bilder aus dem eigenen Hirnspeicher abgehen und es gelingt, sie in ein lesbares Bild zu übersetzten. Und so sieht man auch niemals Abstraktionen, sondern sehr konkrete Studien, Wasser, Bäume, Strudel, Detonationen etc. In den Zeichnungen stecken Energie und Bewegung, die Blank mit körperlich weit ausholender Geste, mit Power und Entschiedenheit formuliert. Er ist ein dynamischer Zeichner, der nicht lange zögert, seine Bilder freizulassen. Durch das Zeichnen, erzählt Blank, würde ihm die Dinge erst so recht bewußt, hätte er eine andere Qualität der Wahrnehmung erreicht. Und was das Paradigma Kunst und Leben betrifft, wäre eine Umkehrung eingetreten: es ist nicht mehr der Künstler, der hinausgeht und abbildet, was er findet, sondern die Dinge der Welt sind bereits im Kunstwerk. Mehr noch, der Globus istvoller Botenstoffe, die der Künstler in seinem Werk wiedererkennt. Der Künstler als Igel, der schon lange vor dem Hasen da war und das, was die Welt ihm hinhält, schon längst erledigt hat. Angesichts der Bilderfolgen und der immer wiederkehrenden, gleichen Motive scheint uns Blank zunächst das Serielle nahezulegen. Im flüchtigen Aneinanderreihen spürt er beharrlich der zufälligen Bewegung des Denkens nach. Und wenn man fragt, wohin diese Versessenheit führen könnte, ist die Antwort, daß es um Eindringlichkeit geht, um das Potential der kleinen Abweichungen, die mithelfen, das Bild zu präzisieren. Und dann steht jedes Bild auch für sich alleine, als autonomes, isoliertes Werk. Der Bezugsrahmen ist in dem Fall der Betrachter, dem genügend Spielraum für Assoziationen und Interpretationen bleibt. Blank sagt damit auch etwas über unsere Kommunikationsregeln aus und läßt erkennen, wie die Grenzen zwischen passivem Konsum und aktivem Produzieren aufgedehnt werden können.