Eine verkehrte Welt
Wo bleibt der Nachwuchs?“ lautet eine nicht selten gestellte Frage, wenn es um österreichische Kinder-undJugendbuchautorlnnen geht. Die Antwort aus dem Herbstprogramm 1999 lautet: Peter Schwaiger. 1968 geboren, hat er bereits einige Stationen literarischen Erfolgs vorzuweisen: 1997 nahm er auf Einladung von Barbara Frischmuth am Ingeborg Bachmann-Wettbewerb teil, wurde mit dem Hans Weigl-Stipendium des Landes Niederösterreich ausgezeichnet. Danach ging er im Zuge eines Stipendiums am Literarischen Colloquium nach Berlin. Bücher veröffentlicht er neben Beiträgen in Zeitungen, Zeitschriften und im Rundfunk-seit 1996. Und nun hat sich Peter Schwaiger, Vater zweier Söhne, also auch dem Kinderbuch zugewandt. Und gleich mit seinem Erstling „Der Felix oder die verkehrte Welt“ ( Gabriel Verlag) kein leichtes Thema gewählt: Identität und Selbstwertgefühl. Besonders auffällig an dem Text ist seine sprachliche Gestaltung: „Kinder wären viel lieber erwachsen. Das ist nun einmal so. Tatsache. Zumindest alle Kinder, die der Felix kennt. Oder fast.“ Es ist ein in der Kinderliteratur gängiges Gestaltungsmittel, sich der sogenannten ,,gesprochenen Sprache“ anzunähern, um in kurzen, knappen Sätzen bzw. Satzteilen einen möglichst hohen Grad an Authentizität zu erreichen. Schwaiger gelingt dies, ohne aufSprachrhythmus und Sprachklang zu verzichten: Laut vorgelesen „schwingt“ der Text richtiggehend, vielfache bewußt eingesetzte Wortwiederholungen oder parallel geschaltete Satzkonstruktionen tragen mit dazubei. Es ist die Darstellung einer Sprache, die sich in der Nähe der kindlichen Ausdrucksweise befindet: einfach, manchmal grammatikalisch verdreht, irgendwie schmucklos eine Gebrauchssprache, die sich weder lyrisch noch poetisch geriert.Und trotzdemvoller Charme und Treffsicherheit ist. Sie entspricht dem Thema fast 1: 1.„Sei wie du bist“, lautet die affirmative Botschaft der Geschichte, die mit den Worten „Der Felix sein ist schön!“, freut sich der Felix“ schließt – und da denkt man dann vielleicht doch ein wenig an Mira Lobes 1972 entstandenes „Das kleine Ich bin ich“: „Sicherlich gibt es mich: Ich bin ich!“ Daß Schwaiger noch einen letzten Satz dazuhängt, ist das Salz in der Suppe: ,,Und dabei denkt er ganz fest an die Silvia“. Die begleitet den in sie verliebten Felix schon durch das ganze Buch, das von verschiedenartigen Beziehungen erzählt: Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, zwischen Freunden, zwischen Erwachsenen und Kindern. Und natürlich der Beziehung zu sich selbst. Aufhänger des Erzählens ist die Behauptung, daß Kinder lieber erwachsen wären und Erwachsene lieber Kinder. Das ist die „verkehrte Welt“, auf die sich der Buchtitel bezieht. Die Begründungen dieser Annahme sind wohlbekannt: Wenn man erwachsen ist, kann man tun, was man will: Krimis schauen bis zum Umfallen, über Nacht wegbleiben, den ganzen Tag malen. Als Kind wiederum habe man weniger Sorgen. Diese von Felix nicht widerlegte, aber auch nicht bestätigte und in Ansätzen auch durchaus angezweifelte Theorie bildet das Grundgerüst, auf dem sich verschiedene Motive-vom Kinderspiel bis zum typischen Erwachsenenverhaltenentwickeln. Und am Ende steht die Quintessenz: Warum Felix „trotzdem gern ein Kind“ ist. Weil er gern Blödsinn macht und kindisch ist, mit offenen Augen träumt, sich Geschichten ausdenkt und gernlang nachdenkt. Und all das, so ist Felix überzeugt, kann man als Kind viel besser denn als Erwachsener. Klischees, gewiß. Und trotzdem gelingt es Schwaiger, sie ohne jede Penetranz, sondern mit viel Humor und Selbstironie zu präsentieren: Dadurch funktioniert der Text. Dadurch kommt die Botschaft, sich selbst so anzunehmen, wie man ist, beim LeserI der Leserin an. Im nächsten Jahr sollen zwei weitere Kinderbücher erscheinen: ,,Boromir und die Momentmaschine“ und die Weihnachtsgeschichte ,Ein gutes Geschäft“. Die Hoffnung, daß einem gelungenen Erstling weitere ansprechende Geschichten folgen, erscheint nicht unberechtigt.