Richard G. Künz

Bildende Kunst

Der Mythenbaumeister

Es gibt Künstler, die erst über Umwege und nach schwer getroffenen Entscheidungen zwischen dem Weg einer gesicherten Existenz und dem Wagnis eines nicht an materiellen Zielen orientierten Lebens zu ihrer eigentlichen Berufung finden. Richard G. Künz ist einer dieser Nonkonformisten, der seinen früheren, Erfolg verheißenden Beruf aufgab, um nunmehr in Objekten, Installationen und Bildern kultisch-mythische Zeichen zu deuten, über Vorgegebenes zu meditieren oder selbst verschlüsselte Botschaften an imaginäre künftige Wesen zu richten. Richard G. Künz wurde am 2. März 1945 in Wien geboren und studierte vorerst an der Technischen Universität Architektur. Im Rahmen seines Studiums, das er mit dem Diplom abschloß, absolvierte er eine Zeichenausbildung, die jedoch auf die praxisorientierte Wirklichkeit der Architekturbüros ausgerichtet war. Künz, der bereits 1971 nach Korneuburg und später nach dem nahen Seebarn übersiedelt war, beendete 1977 seine Tätigkeit als Architekt. In der Folge verschrieb er sich einer auf Sensibilität und Intuition beruhenden, persönlichen Auseinandersetzung mit Archäologie, Mythen und kultischen Phänomenen. Künz wurde – im wörtlichen Sinn- zum „privaten Mythologen“. Zwar hatte er bereits auf Studienreisen nach England, Schottland, aber auch nach Italien die Zeugnisse prä- und frühhistorischer Kulturen kennengelernt, und wie bei vielen Künstlern der Gegenwart hinterließen die oft rätselhaften Spuren verschollener Kulturen das Bedürfnis nach Deutung, Auseinandersetzung und Miteinbeziehen in unsere immer stärker rationalisierte, aber gerade von dieser Art von Ratio bedrohte Welt. Künz schuf vorerst Zeichnungen und sehr persönliche Spurenbilder aus Beton, gestaltete reliquienartige Objekte, Opfertische, Tragen für magische Behältnisse und versuchte sich zuletzt erfolgreich an der Gestaltung von Räumen. Überdies inszenierte er Aktionen, wie im Juli 1981 das ,,Projekt Botschaften“ im Wiener Stadtpark. Gemeinsam mit Wilfried Stanzer entstand der gleichnamige Film, wobei Künz seine Aktion- ein ritualisiertes Vergraben einer Botschaft in der archaischen Lößlandschaft des Weinviertels in epischer Form in Szene setzte. Künz betreibt hier gleichsam Archäologie mit umgekehrten Vorzeichen; der Erde wird nichts entnommen, vielmehr wird ihr etwas anvertraut. 1982 bot ihm ein ambitionierter Galerist die Möglichkeit, einen Raum zu gestalten. In Seebarn (bei Grafenegg) verwandelte Künz ein kleines Dachstübchen in eine Licht- und Raumskulptur („Schlichter Raum“). Vom Fenster weg zaubert ein durch eng nebeneinander gespannte weiße Schnüre angedeuteter Lichtschacht eine weiße Kontur in ein völlig schwarzes Zimmer. Erst ein heller Stuhl stellt in dem poetisch-schwerelos wirkenden Ambiente den Bezug zur Realität wieder her. Auch mit seinem 1983 geschaffenen ,, Hausschatzkasten“ versucht Künz eine animistische Interpretation jener gläsernen Objekte, die er in dem jüngst von ihm erworbenen alten Haus in Engabrunn vorgefunden hat. Künz strebt keine vordergründige Nutzanwendung seiner Kunst an, er verfolgt keine konkreten Zielpunkte und Programme. Er ist um jene maßvolle Ausgewogenheit bemüht, in dem auch das Nichtrationale seinen Platz findet. Ihm geht es um kontemplatives und nicht um kognitives Wissen, denn dieses ,,hat uns doch nur gelehrt, des Nächsten Freiheit einzuschränken, ihn zu übervorteilen und Macht zu mehren“.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1983