Konzept und Werkzeug
Einen Haushalt voller Musikinstrumente stellt für Kinder eine anregende Entwicklungsumgebung mit hohemAufforderungscharakter dar. Der Faszination, die von dem Klavier ausging, konnte und wollte sich auch der junge Richard Graf nicht entziehen. Das Herumspielen und Experimentieren mit Tönen, Intervallen und Klängen führte bereits vor jedem regulären Klavierunterricht, der dann im Alter von 10 Jahren einsetzte, zu den ersten selbstkomponierten Stückchen, ließ Improvisation zu einem geradezu selbstverständlichen Zugang zur Musik werden und wirkte sich prägend auf das nie erlöschende Theorie-Interesse aus, wie es sichjüngst beispielhaft in der Publikation einer Jazz-Harmonielehre manifestierte. 1Die Gitarre ( des Bruders) im Haus übte keine geringere Anziehungskraft aus, sodass das autodidaktische Erlernen einer soliden Begleit-Technik mit einer gewissen Selbstverständlichkeitvon statten ging. Umso prägender war dann die kurze ( 1 Jahr) aber intensive Begegnung mit dem ersten GitarreLehrer Peter Dickie, die für den 14-jährigen Richard Graf geradezu eine Offenbarung der weiten Möglichkeiten des Instruments wie der Musik darstellte und erstmals, neben dem rein spielerischen Zugang, das Können-Wollen zu einem Motivationsfaktor werden ließ. In unserer de facto multikulturellen Mediengesellschaft, wo es genügt, den Tuning-Knopf des Radios nur um wenige MHz weiterzudrehen, um sich in einer gänzlich anderen Musik-Kulturwiederzufinden, wo die verschiedensten musikalischen Stilrichtungen nebeneinander stehen, um unterschiedliche Bereiche des menschlichen Lebens abzudecken, wuchs auch Richard Graf in einem musikalischen Umfeld auf, wo ihm kein Stilbereich fremd bleiben konnte und wo auch der Jazz von Anfang an präsent war. ImTranskribierenvon Jazz-Standards trainierte der Jugendliebe elementare musikalische Fertigkeiten, gewann analytische Einsicht in musikalische Zusammenhänge und erarbeitete sich so den Großteil seines kompositorischen Handwerks. Es entsprach auch eher der Unmittelbarkeit seines musikalischen Zugangs, durch xperimentieren und Probieren herauszufinden, wie ein bestimmtes, erlebtes ( dagehörtes) Klangergebnis zu realisieren sei, als der Frage nachzugehen, wie ein Stück notierter Musik zu interpretieren sei. Heute sind dem Komponisten Richard Graf musikalische Modeerscheinungen weitgehend gleichgültig, als Pädagoge betrachtet er es jedoch als seine Aufgabe, sich mit jeder musikalischen Strömung auseinanderzusetzen und der Frage nachzugehen, was denn eine bestimmte Musik für Kinder oder Jugendliche so attraktiv macht. Nach einem kurzen „Exkurs“ in das Studium der Elektrotechnik-einweiterer Begabungs-Schwerpunkt – wurde Richard Graf klar, dass eine nebenberufliche Beschäftigung mit Musik für sein Leben nicht in Frage kommt. Er entschloss sich zu einem Musik-Studium und inskribierte Gitarre/Instrumentalpädagogik bei Walter Würdinger. Die selbsterarbeiteten Gesetzmäßigkeiten der Jazz-Harmonik ließen ihn mit Leichtigkeit die Musik des klassischen Konzert-Repertoires verstehen. Im Verlauf des zweiten Studienabschnitts (IGP II) stellte sich auch im technisch-virtuosen Bereich das Gefühl von Leichtigkeit ein, wodurch es möglich wurde, 1993 die Diplomprüfung mit einstimmigerAuszeichnung abzulegen. Schon während des Studiums war in Richard Grafder Wunsch aufgekommen, jene Musik, die für seine persönliche Entwicklung besondere Bedeutung gewonnen hatte, nämlich den Jazz, im Lande des Ursprungs zu studieren, wo die Be-Bop Tradition lebendig ist, wo man immer und überall mit Jazz konfrontiert ist, in einem Umfeld, wo ständig über Jazz gesprochen oder sonstwie kommuniziert wird. Die Wahl fiel auf Boston, wo Richard Graf 1993/94 ein an Aha- und sonstigen Erlebnissen reiches Postgraduate-Studium am Berklee-College of Music führte und ,,Summa Cum Laude“ abschloss. 1995 war er bereits Lehrbeauftragter an der University ofSouthern California/Los Angeles, Preisträger beim Jazz-Wettbewerb in Fullerton/USA, ein als Interpret zeitgenössischer Musik gefragter Gitarrist, Dozent zahlreicher Workshops ( u. a. beim Internationalen Gitarrenseminar Lockenhaus) sowie ein mit Aufträgen gerne bedachter Komponist. Dass ihn vor allem seine publizistische Tätigkeit wieder zurück nach Österreich führte, kann die Alpenrepublik für sich als Glück verbuchen. Denn mit seiner ersten CD ,,RICH ART-Contemporary Classical Guitar“ (1997) wurde auch das Platten-Label „RICH ART Records“ ins Leben gerufen, das mittlerweile auch anderen Künstlern als Publikations-Forum dient. Mit dem wenig später gegründeten ,RICH ART Ensemble“ (in der Kernbesetzung: Barbara Gisler-Haase: Flöte; Richard Filz: Percussion; Richard Graf: Gitarre) existiert ein Klangkörper, zu dessen Konzept es gehört, die Menschen unserer Zeit mit der Musik unserer Zeit ,,anzusprechen“, mit ansteckender Musizierfreude und über weitere emotionale Kanäle mit dem Publikum zu kommunizieren und dabei die Musik des 20. Jahrhunderts zu vermitteln. Doch wie steht es eigentlich um Richard Grafs eigenem Beitrag zur Musik des 20. Jahrhunderts, und wie wird jener zur Musik des 21. Jahrhunderts ausfallen?Es braucht wohl kaum noch betont zu werden, dass neuer Jazz und zeitgenössische Musik für Richard Graf ( wie für viele andere Komponisten) keine Gegensätze darstellen. Wer beide Entwicklungslinien so gründlich undbis aufdie Höhe unserer Zeit mitverfolgt hat, dem kann auch deren Konvergenz nicht entgangen sein.Für Richard Graf hat Komponieren – wie jede andere Form von Musik machenetwas mit Kommunikation zu tun, Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen des „Mensch-Seins“. Er möchte mit musikalischen Aussagen seine ZuhörerInnen ,,ansprechen“, sowohl auf intellektueller, als auch auf emotionaler Ebene. Sei dieses „Ansprechen“ nun provokant, mitfühlend, traurig, kritisch oder sonst wie, nichts hat es mit Anbiedern oder gefälligsein-wollen zu tun, sondern vielmehr mit dem Versuch, die Zuhörenden aus den Beschränkungen des Alltags herauszuführen und ihnen neue Dimensionen des Erlebens zu zeigen. Am Anfang des kreativen Prozesses, noch vor jeder stilistischen Überlegung, steht ein Konzept, eine Idee. Diese(s) wird zunächst durch spielerisches Experimentieren konkretisiert, in weiterer Folgewird dann der Rückgriff auf Werkzeuge notwendig, die auch durchaus traditionellen Charakters sein können, wie die bereits mehrfach erwähnte Jazz-Harmonik. DerAspekt der Zeit und die bewusste Erfahrung der Zeit als Teil einer Komposition erscheint Richard Graf besonders wichtig, er betrachtet Zeit als Voraussetzung für Rhythmus, Stille als Voraussetzung für Klang. Das Auftreten und die Entwicklung von Klängen in einem Zeitkontinuum -wiederkehrend oder als Einzelereignis – wird von verschiedenen Menschen unterschiedlich empfunden, das Spannungsverhältnis zwischen absoluter Zeit und subjektivem Zeitempfinden eignet sich geradezu als kompositorisches Werkzeug. Sein technisch-mathematisches Interesse einerseits, die Verlockungen eines weiten Landes unbegrenzter Klangmöglichkeiten andererseits haben Richard Grafzur Computer-Musik gezogen, die für ihn genauso wichtig ist wie Musik mit konventionellen Instrumenten wie Kammermusik oder Chormusik.Als besonders fruchtbar in diesem Genre erwies sich die seit Herbst 1998 praktizierte Zusammenarbeit mit dem Maler und Grafiker Wolfgang Hartl und dem ComputerfachmannWolf-Dieter Grabner.Bereits mit der ersten Gemeinschaftsproduktion, dem experimentellen Video-Musik-Projekt ,,aufder flucht“, bescherte das Triumvirat dem ORF ein ,,Kunststück“, die zweite gemeinsame Arbeit „Dancing Baby 1999″ konnte auf der Cebit in Hannover bereits internationale Lorbeeren ernten.Als nächstes gemeinsames Projekt mit Wolfgang Hartl, dem Richard Graf einen neuen, durch Offenheit charakterisierten Zugang zur bildenden Kunst verdankt, und Wolf-Dieter Grabner ist eine Musik-Video-Installation geplant, bei der das Publikum interaktiv das Geschehen beeinflussen kann.Daneben plant Richard Graf, durch mehrere kammermusikalische Kompositionen das Repertoire seines RICH ART Ensembles zu erweitern. Zur Zeit ist gerade eine CD-Produktion in Arbeit.Als langfristig gehegtes Projekt, was allerdings erst dann in Angriff genommen wird, wenn sich auch eine konkrete Realisierung ergeben sollte, schwebt dem Komponisten ein Konzert für E-Gitarre und Orchester vor. Wir können gespannt sein und uns nur wünschen, noch sehr viel von Richard Graf zu hören.