Süßes Gift
„Im Lauf (der Jahrzehnte) sich hin und her verirrt haben“: Dies stellt Sabine Maier ihrem Portfolio voran und fasst damit eine Künstlerinnen- und Künstlerposition zusammen, die aktueller nicht sein könnte. Sabine Maier navigiert in ihren Arbeiten formsicher zwischen Medien- und Sinnesrealitäten, stets einen narrativen Nukleus umkreisend, der zwischen Erinnerung und Entdeckung changiert. Ihr künstlerisches Vokabular erstreckt sich – ausgehend von der Fotografie – auf Audiovision und Installation.
Die Wahl der Mittel ist eine sorgfältig geplante Zwiesprache mit der Situation, welche die jeweilige Ausstellungsumgebung bereithält, exemplarisch verwirklicht etwa im Projekt „Hörbank“, das 2018 vier Monate lang in Wolkersdorf Station machte. Nimmt man auf der Bank Platz, werden über einen Sensor integrierte Lautsprecher aktiviert und die Besucherinnen und Besucher mit ortsbezogenen Erzählungen angesprochen. Die Bank als Ort des Austausches lokaler Informationen wird so vor ihrer Vereinsamung gerettet und stiftet wieder Beziehungen.
Sabine Maier kollaboriert regelmäßig mit Künstlerinnen und Künstlern aus Literatur und Musik. Bereits 1999 gründete sie mit Michäl Mastrototaro das Kunstlabel Machfeld als Arbeitsplattform für interdisziplinäre Projekte; seit 2012 ist sie im Vorstand der Niederösterreichischen Künstlerinnen- und Künstlervereinigung Fluss. Als Seismografin vom Gesellschaftlichen im Persönlichen und umgekehrt seziert sie die Essenzen ihrer Geschichten so weit, bis sie in eine berührende ästhetische Sprache gebracht werden.
Diese Geschichten sind nicht immer schön. In der Rauminstallation „Atropa“ erzählen fünf schwach beleuchtete Gläser mit giftiger Tollkirschenmarmelade von tödlichen Schönheitsmitteln für Frauen und Männer. Ein Diaprojektor wirft den Text „Hass auf die anderen und eine Mahlzeit lang auf mich“ an die Wand und verweist damit auf das Gefängnis weiblicher und männlicher Selbst- und Fremdbilder.
Ihren zuweilen melancholischen und immer poetischen Blick richtet Sabine Maier auch in die Ferne; zahlreiche internationale Einladungen und Auszeichnungen zeugen von ihrer herausragenden Arbeit.