Vom Thespiskarren zum Lastkraftwagen
Thespis, dessen Name fest mit den Anfängen der griechischen Tragödie verbunden ist, soll sich eines Theaterkarrens bedient haben – so wird es von Horaz in der „Ars Poetica“ beschrieben. Erstaunlich dabei ist der Umstand, dass der Bekanntheitsgrad des Theaterkarrens größer ist, als die Quellenlage vermuten lässt.
Die deutsche Wanderbühne, die sich im 17. Jahrhundert als Gegenstück zu den Hoftheatern der Fürstinnen und Fürsten gebildet und bis zum Aufkommen der Nationaltheater im 19. Jahrhundert Bedeutung hatte, unterhielt das Volk mit Possen, meist Parodien oder Travestien höfischer Tragödien. Sie verfügte zwar über einen eigenen Fundus, feste Spielstätten gab es aber keine.
Die Tradition, mit Sack und Pack durchs Land zu ziehen, griffen die Theatermacherinnen und Theatermacher sowie die Schauspielerinnen und Schauspieler David Czifer und Max Mayerhofer vor einigen Jahren in Fortsetzung des Thespiskarrens als poetologische Metapher auf und starteten eine einmalige Initiative: Mit einem LKW, dessen Ladefläche fortan auch als Spielfläche dient, wird ganz Niederösterreich durchquert.
Seit 2013 bietet das Lastkrafttheater an ungewöhnlichen, auch entlegenen Orten unentgeltlich Unterhaltung an. Diese außergewöhnliche Idee erfreut sich seit Jahren wachsender Beliebtheit, sehr zur Freude der Initiatorinnen und Initiatoren:
„Theater kehrt so zu seinen Wurzeln zurück. Unser Ziel ist es, Orte der Begegnung zu schaffen und unterschiedlichste Menschen zueinander zu bringen. Wir errichten einen barrierefreien Treffpunkt im öffentlichen Raum, in dem das Publikum mit den Mitteln des Theaters zum Nachdenken, zum Lachen und zum Staunen gebracht wird“,
so David Czifer und Max Mayerhofer.
Wurden in den ersten Jahren Stücke mit kleiner Besetzung gewählt (2013: „Der Weibsteufel“, 2014: „Unterwegs mit Shakespeare“), so setzte man in jüngerer Vergangenheit auf stete künstlerische Weiterentwicklung. Mit Nestroys „Ein Hemd, ein Stock, ein Damenunterrock“ ist das Ensemble im Jahr 2019 auf sechs Schauspielerinnen und Schauspieler angewachsen. Der LKW steuerte mehr als 20 Orte in Niederösterreich an, um Menschen Theatervergnügen zu bereiten.