Vom Zaubern mit der Farbe
Die ungegenständlichen, zuweilen großformatigen Bilder des Malers Walter Vopava entziehen sich weitgehend der Beschreibung oder Interpretation durch das Medium Sprache. Dort, wo Assoziationen mit der Erscheinungswelt der realen Dinge nur mehr subjektive Deutungen des Betrachters sind, wo somit jede im weiteren Sinn literarische Anspielung unterbleiben muß und wo der Künstler Malerei zum Selbstzweck, zum absolut freien Spiel von Farbe und Form werden läßt, dort muß auch für die Kommunikation zwischen Kunstwerk und -betrachter ein nonverbales System entwickelt werden. Man kann den Spuren des Pinsels folgen, die Intensität des Farbauftrages beobachten und dabei reliefartig-plastische, von Licht und Schatten bestimmte Nuancen entdecken, man kann die Noblesse einer Farbe bewundern, die im Widerspruch oder im Gleichklang zu ihrer Umgebung steht, man kann unzählige Erscheinungen und Details erfassen, sich daran erfreuen (oder ärgern) und wird diese bei entsprechender Empfindsamkeit und Offenheit einem Gesamteindruck unterzuordnen haben. Doch auch bei der Formulierung dieses Eindrucks werden sich verbale Probleme ergeben. Möglicherweise gelingt es großen Literaten durch Vergleiche und Zitate aus der Vorstellungswelt ein adäquates Empfinden hervorzurufen. Meist haben sie dadurch ein weiteres eben verbales Kunstwerk geschaffen. Walter Vopava, geboren am 10. Mai 1948 in Wien, lebt abwechselnd auf Schloß Seebenstein und in Wien. Der Besuch der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt (1962-1966) vermittelte ihm ein solides handwerkliches Können; die Wiener Akademie der bildenden Künste verließ er frustriert bereits nach einem Jahr. (Auch einige derzeitige Professoren machten einst ähnliche Erfahrungen.) Am Beginn von Vopavas Malerei stand die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand. Eine spontane, vom Gestus bestimmte Malweise wies ihm jedoch bald den Weg zur vollständigen Abstraktion. Heute fügt sich Vopava mit seinen von gedämpfter Farbigkeit erfüllten, fast meditativen, ungegenständlichen Bildern in hervorragender Weise jenem Flügel der vielgestaltigen heimischen Avantgarde ein, an dem mit subtilen Mitteln und viel Gefühl ein neuer kulinarischer Kolorismus gepflogen wird. Hier manifestiert sich ein ruhiger und wahrscheinlich vergleichsweise langfristig wirkender Gegenpol zu den lautstarken Farb- und Materialschlachten der sogenannten ,,Neuen Wilden“ mit ihren literarisch-apokalyptischen Bezügen. Auch das große Format verlockt Vopava seit längerem nicht mehr zur spontanen Aktion. Vielmehr wird es zum Feld für kurzschriftartige, bisweilen rhythmisch bewegte Formaphorismen, wobei das grafische Element stets dem Primat der Farbe mit all ihren Nuancierungsmöglichkeiten untergeordnet wird. Um Vopavas Bildern gerecht zu werden, empfiehlt es sich, vorurteilslos an sie heranzugehen und dem Auge jede Freiheit zu gewähren. Anstelle unseres angelernten Wissens, das unserem Sehen immer wieder mit Zitaten aus der Bildungswelt Assoziationen unterschieben will und damit die Unbefangenheit raubt, sollte eine sensitive Offenheit treten, die Farbklänge zu empfinden vermag und sich somit einer völlig freien Poesie eröffnet.