Wolfsbacher Kultur- u. Freizeitverein

Erwachsenenbildung

Volksbildung als soziales Erlebnis

Im Jahr 1982 wurde in Wolfsbach, einem Ort mit rund 1800 Einwohnern im Verwaltungsbezirk Amstetten, der ,,Wolfsbacher Kulturund Freizeitverein“ gegründet. Das Statut des Vereines enthält unter anderem das wenig überraschende Vereinsziel der Durchführungvon Kulturund Freizeitveranstaltungen. Nicht mehr so alltäglich war und ist die Unterstützung von Talenten und Künstlern aus dem Ort und dessen Umgebung. Seine Originalität entwickelte der Verein aber durch zwei zusätzliche Richtungen seinerTätigkeit in den l 990er Jahren und derenVerknüpfung: Dorfgeschichte und Dorferneuerung. Derzeit zählt der Wolfsbacher Kultur- und Freizeitverein 48 Vereinsmitglieder, die gemeinsam mit dem Vereinsobmann die unmittelbare Verantwortung für die Vereinsaktivitäten tragen.Seit 1994 veranstaltet der Verein jährliche „Kulturwochen“ mit wechselnden Themen, die in ,,Kulturstammtischen“ vereinbart werden. Die im Rahmen der Kulturwochen 1994 durchgeführte Ausstellung ,,Wias amoi woa“ beschrieb ehemals im Ort ansässige Handwerksbetriebe mit Werkzeugen, Werkstücken, Bildern, Plänen und Texten, die mit Hilfe früherer und im Ort ansässiger Handwerker zusammengestellt worden waren. ,,Wolfsbach in alten Ansichten“ diente der optischen Erinnerung, Geschichten überWolfsbacher Originale (,,wias amoi woan“ und „wias hiatzt san“) der verbalen Erinnerung an verstorbene und lebende Dorfbewohner. Die Ausstellung 1995 ,,Bruder Baum“ bot unter anderem die Möglichkeit, die unterschiedlichen Obstsorten der Region vorzustellen und mit fachbezogenen Diskussionen zu verbinden, z.B. über ,,Wert undVerwertung von Obst“. Das 1998 erschienene Buch „Atem der Natur“ schloss an diesen Themenkreis an.Zu den Solistenkonzerten und zu der Ausstellungstätigkeit trat ab 1995 auch eine Buchproduktion, in derbisher folgende Werke erschienen: ,,Sakrale Kleindenkmäler“ ( 1995), „Wolfsbacher Familiengeschichte“ (1997), „Heimat Wolfsbach“ (1997) und- schon genannt – „Atem der Natur“.Das Buch ,,Sakrale Kleindenkmäler“ bewirkte eine aktive Auseinandersetzung mit den religiösen Flurdenkmälern und seit 1996 eine jährlich stattfindende ,,Kapellenwanderung“. Der Publikation „Heimat Wolfsbach“ gingen Diskussionen der Kulturwochen 1996 über einen zeitgemäßen Heimatbegriffvoraus. Die Ortsbewohner einschließlich der Schülerlnnen waren eingeladen, ,,in Wort und Bild“ zu formulieren, was sie unter Heimat verstehen. Diesebildlichen undverbalen Stellungnahmenließen individuell unterschiedliche Heimatbegriffe erkennen, die in derAusstellung ,,Dahoam is dahoam“ zur Diskussion gestellt wurden. Die im vergangenen Jahr gezeigte Ausstellung ,,Steckenpferde & Kuriositäten“ galt Sammlern und ihren Raritäten und unterstrich neuerlich den Einfallsreichtum einzelner Zeitgenossen.Natürlich sind nicht alle Aktivitäten des Wolfsbacher Kultur- und Freizeitvereines für sich außergewöhnlich und weichen nicht alle von der schon sehr breiten Spur ähnlicher und vielerorts anzutreffender Freizeitaktivitäten ab. Die Stärke der Wolfsbacher liegt in der jährlichen Bündelung der geplanten Veranstaltungen unter einem Thema, in der Verzahnung verschiedener Veranstaltungsformen, in zeitkritischen Fragestellungen und in der Rückwirkung der Vereinstätigkeit auf die Ortsbevölkerung. Dadurch entstand ein integrierendes und identitätsstiftendes ,,Wolfsbacher Modell“. Die Rekonstruktion des beruflichen Alltages der Dorfbewohne rvergangener Jahrzehnte, die hausbezogene Erforschung der Identität der Bewohner des Ortes und ihrer Familien vom Mittelalter bis in die Gegenwart, die Wertschätzung der natürlichen Umgebung und die Analyse von Heimat als einem subjektiv gedanklichen Vorgang führten zu Ergebnissen, deren dokumentarischer Wert über die betroffenen Menschen hinausreicht. Innerhalb des Spannungsverhältnisses zwischen traditioneller Freizeitkultur und kritischer Einstellung zum überkommenen gelang es dem Verein bei einzelnen Projekten, die MitbürgerInnen zu motivieren, sich mit dem Ort, seinen Bewohnern und deren Lebensgewohnheiten in neuen Denkansätzen zu befassen. Dadurch wurde Wolfsbach zu einem geografischen Punkt des sozialen Erlebnisses neuer Form von Volksbildung.

Diese Textpassage stammt aus der Kulturpreis-Broschüre von 1999